WISSENSCHAFT
Das Wintersemester hat begonnen und die Tage werden kürzer. Wie sich die dunkle Jahreszeit auf die Stimmung auswirken kann und wann mehr als der typische Winterblues dahintersteckt.
Herbst und Winter leiten mit dicken Socken, Keksen und Glühwein die gemütliche Zeit des Jahres ein. Regen und Kälte treiben die Menschen nach drinnen. Die ganze Welt scheint sich zurückzuziehen. Weniger werdende Sonnenstunden und tristes Wetter bieten eine willkommene Gelegenheit für sich einschleichende Antriebslosigkeit – da vermögen auch Kakao und Kerzen manchmal kein Licht ins Dunkel zu bringen. Dass der Winter zeitweise auf das Gemüt schlagen kann, ist nicht unüblich: Hier spricht man vom klassischen Winterblues.
Mit diesem melancholischen Begriff lassen sich Verstimmungen in der kalten Jahreszeit leicht abtun. Dabei kann sich dahinter eine ernstzunehmende Depression verbergen. Wenn die Beschwerden zwei Jahre in Folge zur gleichen Jahreszeit auftreten, also etwa im Herbst beginnen und im Frühling wieder abnehmen, spricht man von einer saisonal-abhängigen Depression oder auch SAD („seasonal affective disorder“). Diese Unterform der Depression tritt in den meisten Fällen in den Wintermonaten auf, aber auch eine Sommerdepression ist möglich.
SAD weist viele typische Symptome einer Depression vor. Laut dem National Institute of Mental Health gibt es jedoch entscheidende Unterschiede: Statt Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust kommt es bei einer Winterdepression zu Heißhunger und Gewichtszunahme. Statt Ein- und Durchschlafproblemen ist sie von übermäßigem Schlaf gekennzeichnet, was die Tendenz zum (sozialen) Rückzug steigert. Eine Sommerdepression machen hingegen unter anderem Rastlosigkeit mit einhergehenden Schlafproblemen sowie Angstgefühle, Gereiztheit und verminderter Appetit aus.
Besonders junge Erwachsene betroffen
Nicht jede Depression, die während einer bestimmten Jahreszeit auftritt, ist zwangsläufig eine SAD: Nur jede zehnte im Winter auftretende Depression ist eine Winterdepression. Laut Studien sind circa zwei bis acht Prozent der europäischen Bevölkerung, vordergründig in den nördlichen Breitengraden, von einer saisonal-bedingten Depression betroffen, Frauen dabei bis zu viermal häufiger als Männer. Die Störung tritt überwiegend im Alter von 18 bis 30 Jahren auf, womit Studierende häufig im Bereich des erhöhten Risikos der Erkrankung liegen.
Die Ursachen für SAD sind nicht abschließend geklärt. Der Mangel an Sonnenlicht wird oft als wesentlicher Faktor genannt. Nicht nur das Vitamin D-Defizit spielt dabei eine Rolle: Je weniger Tageslicht auf die Netzhaut fällt, desto mehr Melatonin wird produziert – und umso schläfriger werden wir. Durch die erhöhte Produktion des Schlafhormons wird zudem weniger vom Glücksbotenstoff Serotonin ausgeschüttet, sodass unsere Stimmung sinkt. Daher werden bei SAD vermehrt Lichttherapien und Vitamin-D-Präparate eingesetzt.
Gerade im Wintersemester, in dem Studierende die wenigen Sonnenstunden in Seminarräumen oder der Bib verbringen und oft erst im Dunkeln wieder nach Hause fahren, neigen viele dazu, sich einzuigeln und in Motivationslosigkeit zu verfallen. Vielleicht kann es schon guttun, sich ein paar Minuten am Tag Zeit zum Luft- und Lichttanken statt Büffeln einzuräumen. Halten die Beschwerden jedoch an, solltest du das nicht als bloßen Winterblues abfertigen.