WISSENSCHAFT
Forscher:innen des Fachbereichs Sozialpsychologie an der Universität Duisburg-Essen (UDE) haben untersucht, ob und welche digitalen Kommunikationskanäle während einer Pandemie soziale Nähe und Verbundenheit stärken können. Die Studie bietet Ansätze für die Politik in zukünftigen Pandemien.
Statt Treffen in Präsenz wurden digitale Kommunikationsoptionen per Messengerdienst oder Videocall genutzt, um während des ersten Lockdowns im Austausch zu bleiben. Das Team um Sozialpsychologin Prof. Dr. Nicole Krämer, Jan Kluck und Filipa Stoyanova hat im Rahmen ihrer Studie mehrere Online-Befragungen durchgeführt. Während des bundesweiten Lockdowns im März und April 2020 haben sich 301 Personen, darunter mehrheitlich Frauen und Menschen mit einem höheren Bildungsniveau, beteiligt. Sie haben unter anderem angegeben, welche Kommunikationskanäle sie nutzten und ob sie in naher Zukunft beabsichtigen die Kontaktbeschränkungen zu missachten.
Aufgrund der Stichprobenzusammensetzung – lediglich ein bestimmter Bevölkerungsteil hat Angaben gemacht – sind die Ergebnisse nicht repräsentativ. „Sie sind aber insofern maßgeblich, als es eine der ersten Studien ist, die diesen spezifischen Forschungsgegenstand adressiert und somit auch erstmalig entsprechende Tendenzen aufgezeigt hat“, verdeutlicht Kluck die Bedeutsamkeit der Studie. Die Abhandlung untersucht, inwieweit technologiebasierte Kommunikation die Verbundenheit und soziale Nähe während Kontaktrestriktionen verbessern und dadurch einen Beitrag zur Einhaltung der Maßnahmen leisten kann.
Als Ausgangspunkt für ihre Studie dient den UDE-Forscher:innen die Propinquity-Theorie aus den Kommunikationswissenschaften. Die Theorie besagt, dass ein Kommunikationskanal mit besserer Abbildung eines echten Gesprächs zu einer höheren erlebten Nähe zur anderen Gesprächsperson führt. Nach diesem Ansatz fühlen sich Menschen beispielsweise bei einem Videocall stärker mit ihren Gesprächspartner:innen verbunden als beim Austausch per Textnachricht. „Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass während des ersten Lockdowns in Deutschland die Häufigkeit der Nutzung von audiovisuellen Kommunikationskanälen keinen positiven Effekt auf die erlebte Verbundenheit mit anderen hat“, bilanziert Jan Kluck.
Zufriedene Menschen halten sich eher an die Maßnahmen
In der Studie wurden Sprachnachrichten unter die textbasierte Kommunikation gefasst, da diese via Messengerdienst asynchron funktionieren und oft auch durch Text ergänzt werden.
Im Gegensatz zu audiovisueller Kommunikation haben textbasierte Mitteilungen bei den Studienteilnehmer:innen eine stärker wahrgenommene soziale Unterstützung hervorgerufen. Asynchrone Formen der Kommunikation scheinen laut Kluck in der Pandemie besser geeignet zu sein, um soziale Unterstützung zu signalisieren. In der Studie wird etwa ein offenes Ohr und Feedback bei Problemen oder auch Rezept- oder Filmempfehlungen erfasst.

Die Wissenschaftler:innen stellen fest, dass eine häufige Verwendung von textbasierter Kommunikation einen indirekten positiven Einfluss auf das Verhalten der Personen hat. „Insbesondere der Austausch per Nachricht führt dazu, dass wir uns besser fühlen und uns eher an die Maßnahmen zur Kontaktreduktion halten“, erläutert Kluck. Nach der Propinquity-Theorie sollten Menschen eigentlich audiovisuelle Kommunikation vor textbasiertem Austausch präferieren. „Daher ist es erstaunlich, dass gerade der Austausch per Nachricht eher dazu führt, dass Menschen sich zufriedener fühlen und daher eher geneigt sind, sich an die Maßnahmen zu halten.“ Die Autor:innen der Studie weisen jedoch darauf hin, dass die Wirksamkeit solcher Alternativen zu physischen Kontakten nicht überschätzt werden darf.
Seitens der Politik sollte die Bevölkerung laut Kluck während Kontaktbeschränkungen darin bestärkt werden, den Kontakt textbasiert beizubehalten. „Menschen sollten bei zukünftigen Pandemien direkt ermutigt werden, sich gegenseitig soziale Unterstützung zu signalisieren und vielleicht auch Menschen zwischendurch eine Nachricht zu schicken, mit denen man sonst weniger Kontakt hat.“