WISSENSCHAFT
Eine Ausstellung im Dortmunder Naturmuseum zeigt, wie der Mensch Arten zerstört. Sie warnt und erschüttert, beweist aber auch, dass jede:r etwas tun kann.
Ein Vogel erinnert an das Artensterben – und an die Möglichkeit, es zu stoppen. Er steht in einer Vulkanlandschaft, hat braunes Gefieder, einen grauen Schnabel, gelbe, kräftige Beine. Rechts daneben posiert ein Seefahrer. Er packt einen weiteren Vogel am Hals, der Körper des Tieres hängt schlaff herunter. Das Tier ist tot.
Die Landschaft liegt mitten in einer Halle im Naturmuseum in Dortmund. Sie stimmt auf die Sonderausstellung ein, die das Museum aktuell präsentiert. „Tot wie ein Dodo“ widmet sich dem Artensterben, präsentiert ausgestorbene und bedrohte Tierarten, zeigt Lösungen auf. Der Dodo ist ein Beispiel für Arten, die der Mensch ausgerottet hat. „Seefahrer stießen zuerst auf die sehr zutraulichen Vögel“, erklärt Julian Stromann. Er ist beim Naturmuseum Dortmund für Bildung und Vermittlung zuständig und hat die Ausstellung kuratiert.
Der Dodo lebte im 16. und 17. Jahrhundert auf Mauritius, Seefahrer:innen ernährten sich von den flugunfähigen Tieren. „Es gibt nur eine Skizze, die zeigt, wie der Dodo ausgesehen haben könnte“, sagt Stromann. Außerdem haben Forscher:innen einzelne Knochen gefunden. Mehr wissen sie bisher nicht über das Tier, das die Menschen innerhalb von 100 Jahren ausgerottet haben. Der Titel der Ausstellung leitet sich davon ab: „‘Tot wie ein Dodo‘ ist ein australisches Sprichwort, wenn etwas unwiderruflich weg ist“, erklärt Stromann.
In einem Raum links neben dem Dodo beginnt die eigentliche Ausstellung. Am Eingang erstreckt sich ein Plakat über die größten Massensterben der Weltgeschichte. Es zeigt, dass es schon immer Artensterben gab, zum Beispiel, als die Dinosaurier ausstarben. „In dieser Ausstellung geht es darum, was der Mensch kaputt gemacht hat“, sagt Stromann. Er vergleicht die Geschichte der Erde mit dem Zeitraum eines Tages. „Der Mensch taucht erst zehn, zwölf Sekunden vor Mitternacht auf und hat in dieser Zeit schon sehr viel zerstört“, erklärt Stromann. „Es gibt zwar natürliche Einflüsse auf das Klima, aber so schnell wie durch die Industrialisierung ging es noch nie.“
Jagdtourismus und Wilderei gefährden das Nashorn
„Tot wie ein Dodo“ zog als Wanderausstellung schon durch mehrere Städte. Das Naturmuseum hat sie nach Dortmund geholt, um zu zeigen, wie gravierend das Artensterben ist. „Das Wichtigste ist, zu informieren, damit sich die Menschen bewusst werden, was sie dagegen machen können“, sagt Stromann.
Beispiele für bedrohte und ausgestorbene Arten gibt es viele. Den Löwen, bei dem der Mensch mit Straßen und Siedlungen Lebensräume durchtrennt, den Laufvogel Riesenmoa, den die neuseeländischen Ureinwohner gejagt haben, oder die Stellersche Seekuh. „Die Tiere waren so sozial, dass sie zur Hilfe kamen, wenn ein anderes Tier verletzt wurde. So konnten sie leicht getötet werden“, erklärt Stromann.
In einer Savannenlandschaft kauert ein Nashorn auf dem Boden. Es hat seinen Kopf abgelegt, den Blick gesenkt, in seinen Augen scheint Trauer zu liegen. Sein Nashorn fehlt. Die Stelle, an der es war, ist blutig, genau wie der Boden und die Schnauze des Tieres. „Die sägen das Horn wirklich einfach ab“, sagt Stromann und spricht von Wilderei und Jagdtourist:innen, die extra anreisen, um die Tiere zu schießen. Vom Nördlichen Breitmaulnashorn gibt es weltweit nur noch zwei Weibchen, vom Südlichen Breitmaulnashorn mittlerweile wieder etwa 20 000 Tiere, weil sich Organisationen um Schutzmaßnahmen bemühen.
Die Ausstellung wirkt einerseits kinderfreundlich. Sie integriert zum Beispiel Klappenspiele, an denen Besucher:innen Holztafeln mit Informationen wenden können. Andererseits stellt sie das Artensterben drastisch dar. „Die Ausstellung ist schonungslos. Sie soll nichts beschönigen“, so Stromann. Dafür setzt sie Szenen genauso um, wie sie passiert sind. „Wie der Fischer nach dem letzten Riesenalk greift, ist so überliefert. Die Vögel saßen auf einem Stein und der Fischer zertrat das letzte Ei.“ Die Tiere und Menschen wirken lebensecht, die Tattoos der neuseeländischen Ureinwohner-Figuren zum Beispiel hat ein Tätowierer gestochen.
Das Naturmuseum empfiehlt die Ausstellung ab der dritten Klasse. „Einerseits ist es wichtig, Kindern das Artensterben früh zu vermitteln. Andererseits ist es ein schmaler Grat, damit die Kinder nicht schockiert sind. Aber vielleicht können sie ihre Eltern umstimmen, wenn sie sagen: ‚Lass uns doch mal mit dem Fahrrad fahren.‘ Oder: ‚Können wir heute etwas ohne Fleisch essen?‘“, hofft Stromann.
Artensterben ist kein exotisches Phänomen weit weg von Deutschland. Auch hier gibt es Tiere, die gefährdet sind. Heimische, bedrohte Arten sind zum Beispiel das Rebhuhn und der Feldhamster. Auch darauf will die Ausstellung aufmerksam machen.
Die globale Erwärmung schadet manchen Arten
Eine Besonderheit beim Artensterben sind invasive Arten. „Wenn etwas dazukommt, was vorher nicht da war, bringt das das Ökosystem durcheinander“, sagt Stromann. Er erklärt dieses Phänomen am Beispiel des Feuersalamanders. Seit ein paar Jahren gefährdet ein Pilz aus Asien die Tiere in Europa. In Asien sind sie gegen den Pilz immun, in Europa nicht. Der Pilz befällt sie und führt dazu, dass sie sterben. „Ein gesunder Feuersalamander hat ein gelb leuchtendes Muster. Wenn es orange wird oder schwarze Flecken bekommt, hat der Pilz das Tier befallen“, beschreibt Stromann.
Auch die steigenden Temperaturen haben gravierende Folgen für Tiere. Dass das Polareis schmilzt und Tiere ihren Lebensraum verlieren, wissen viele Menschen mittlerweile. Die globale Erwärmung hat aber weitere Effekte. Bei manchen Arten hängt es von der Temperatur ab, ob sie sich fortpflanzen können. Seepferdchen zum Beispiel gebären ab einer bestimmten Temperatur keine Männchen mehr. Die Weibchen allein können sich nicht fortpflanzen. In Eukalyptus-Blättern fehlen bestimmte Nährstoffe, wenn es zu warm ist. Koalas brauchen diese Nährstoffe. „Sie fressen, sterben am Ende aber, weil die Nahrung keine Nährstoffe mehr enthält“, erklärt Stromann.
In einem weiteren Bereich stellt das Museum Souvenirs aus, die der Zoll konfisziert hat. Besondere Muscheln, Korallenketten, eine Weste aus Krokodil-Leder. „Jeder nimmt gerne ein Souvenir aus dem Urlaub mit. Vielleicht sollte man aber überlegen, für welches man sich entscheidet. Wenn es keine Nachfrage gibt, sinkt hoffentlich das Angebot. Korallen zum Beispiel werden extra für die Ketten geerntet“, erklärt Stromann. Ein weiteres Problem sei, dass viele Menschen die Gesetze nicht kennen. „Teilweise ist es schon verboten, Muscheln vom Strand mitzunehmen“, klärt Stromann auf.
Aus Stromanns Sicht gibt es gute Ansätze für den Artenschutz. „Viele Organisationen möchten das Artensterben stoppen“, sagt er. Sie würden sich aber oft auf den Panda fokussieren. „Dabei gibt es andere Arten, die mindestens genauso stark betroffen sind.“ Außerdem helfe es, Gebiete zu renaturieren, Gesetze umzusetzen und bedrohte Arten aufzuziehen. „Das Wichtigste ist aber, das Thema zu vermitteln, damit jeder Bescheid weiß.“
Die Ausstellung geht bis zum 20. November. Der Eintritt kostet 4 Euro, ermäßigt 2 Euro, unter 18 Jahren ist der Eintritt frei.
So könnt ihr Arten schützen
1. Heimische Vögel und Insekten mögen Blumen, Futter und Wasser. Außerdem: Laub liegen lassen, darin verstecken sich
oft Igel.
2. Wer auf Fleisch, Fisch und das Auto verzichtet, spart CO2. Es hilft auch, Geräte ganz auszuschalten.
3. Mit gebrauchter Kleidung, Büchern und Upcycling schont ihr Ressourcen.
4. Wer Souvenirs aus der Natur und Zoos mit exotischen Tieren meidet, schützt diese Arten.
5. Mit Märkten und Unverpackt-Läden spart ihr Plastik. Schokolade und Nuss-Nougat-Cremes gibt es ohne Palmöl.