Studentische Monatszeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet

WISSENSCHAFT

The Big Staub Theory

 Prof. Dr. Gerhard Wurm aus der Experimentellen Astrophysik beschäftigt sich mit Schlüsselfragen zu Planeten und ihrer Entstehung. [Foto: privat]

18.02.2020 22:08 - Julia Segantini

Eigentlich wollte Prof. Dr. Gerhard Wurm, Astrophysiker an der Universität Duisburg-Essen, Gasströme auf dem Mars nachweisen. Durch Zufall kamen er und seine Arbeitsgruppe zu neuen Erkenntnissen über die Entstehung von Planeten: Kollidierende Staubkörner laden sich elektrisch auf und haften deswegen aneinander. Was das genau bedeutet, erklärt er unserer Redakteurin Julia Segantini in einem kleinen Crashkurs in Sachen Astrophysik. 

ak[due]ll: Was weiß man schon über die Entstehung von Planeten?

Prof. Dr. Wurm: Sicher ist, wie es ungefähr anfängt. Planeten entstehen zur gleichen Zeit wie Sterne. Das heißt, wenn Astronomen in Sternentstehungsgebiete schauen, sehen sie, wie sich in deren Mitte aus der Materie, die da durch Gravitation zusammenstößt, ein Stern entwickelt. Drumherum bildet sich eine Scheibe aus Gas und Staub. Am Anfang hat man also eine Scheibe mit mikrometergroßem Staub. Das dauert dann maximal zehn Millionen Jahre, danach sind die Scheiben weg und man hat fertige Planeten.

ak[due]ll: Ab wann spricht man von einem Planeten? Kommt es da auf den Durchmesser an?

Wurm: Ein Planet ist es dann, wenn er seine Umlaufbahn dominiert, wenn ein Körper also die größte Masse in seinem ganzen Orbit hat. Pluto ist zum Beispiel heruntergestuft worden, weil er sich mit Neptun seine Umlaufbahn teilt und der ist viel größer – 17 mal so groß wie die Erde.

ak[due]ll: Eben haben Sie schon von Staub gesprochen. Ihr Forschungsgegenstand war die Frage, wie aus Staubkörnern Planeten entstehen. Können Sie das genauer erklären?

Wurm: Jeder weiß, dass Staub überall gut hängen bleibt. Wenn man aber versucht, Sand zusammenzupappen, bleiben die Körner nicht aneinander hängen. Selbst wenn sie unter Schwerelosigkeit langsam zusammenstoßen würden. Bei Körpern in Zentimeter- oder Dezimetergröße gibt es wieder andere Mechanismen. Die Teilchen konzentrieren sich in diesen Scheiben, bis das so dicht ist, dass sie durch die Eigengravitation zusammengezogen werden. Aber bis das so groß wird, fehlt eine Größenordnung. Da ist eine Lücke. 

ak[due]ll: In Ihrer Forschung geht es in diesem Zusammenhang auch um sogenannte Kollisionsbarrieren. Was ist das?

Wurm: Wenn kleine Staubteilchen aneinanderstoßen, ist das relativ langsam. Millimeter oder Zentimeter pro Sekunde – da stoßen sie sich noch ab und bleiben dann aneinander hängen. Wenn die Geschwindigkeit immer gleich bleibt, aber die Körper wachsen, wird die Energie immer größer. Alles wird kompakter und am Ende landen Sie bei zentimetergroßen Staubaggregaten. Wenn die dann wiederum zusammenstoßen, können die nicht mehr kompakter werden. Das heißt, sie kriegen die Energie nicht mehr los. Wenn Sie einen Ball auf eine harte Oberfläche fallen lassen, prallt der wieder zurück. Wenn man ihn gegen einen Sandsack wirft, bleibt er fast hängen. So kann man sich die Kollisions- oder Abprallbarriere vorstellen. 

ak[due]ll: Es klingt ja erstmal widersinnig, dass Teilchen sich abstoßen, daraus aber etwas entsteht. Dass das trotzdem passiert, liegt an der elektrischen Ladung, wie Sie jetzt herausgefunden haben.

Wurm: Das wollten wir gar nicht nachweisen. Die Experimente hatten eigentlich mit dem Mars zu tun, da wollten wir einen Gasfluss nachweisen. Die Teilchen, die wir benutzt haben, waren nur als Tracer in einem Windkanal gedacht: Um in einem Windkanal Stromlinien nachzuweisen, benutzt man Rauch, weil man den sehen kann. Wir wollten Teilchen benutzen. Die sind dann durch einen Fallturm in einen Gasstrom geschüttelt worden. Viele von diesen Teilchen sind nach dem Schütteln wieder zurückgekommen auf den Lautsprecher, von dem sie kamen. Da könnte man jetzt denken, das machen Teilchen halt so. Aber nicht unter Schwerelosigkeit. 

ak[due]ll: Das heißt, das Ganze war ein Versehen? Wie war dann die Reaktion?


Wurm: Wir haben versucht, das konkreter nachzustellen. Unsere Idee war: Die Teilchen sind geladen, also müssen wir die Ladung messen. Das kann man gut mit einem Kondensator machen. Das ist eine positiv und negativ geladene Platte. Die Teilchen dazwischen gehen dann – je nachdem ob sie positiv oder negativ geladen sind – zu der einen oder anderen Seite. Sowas haben wir aufgebaut. Und wir hatten einen Container, wo man die Teilchen kontrolliert schütteln kann, sodass sie immer aneinanderstoßen. Nach dem Schütteln lasse ich sie im Fallturm unter Schwerelosigkeit in den Kondensator. Dann sehe ich, was nach links und rechts fliegt. Da ich die Teilchen kenne und weiß, welche Masse sie haben, kann ich aus dieser Bahn genau ausrechnen, welche Ladung sie haben. Wir haben jetzt gezeigt: Wir können in der Größenordnung Millimeter bis Zentimeter auf jeden Fall etwas mit Ladung wachsen lassen.

ak[due]ll: Auch wenn diese Erkenntnisse eine Lücke in der Entstehung von Planeten geschlossen haben, gibt es noch offene Fragen. Warum lassen sie sich so schwer beantworten?

Wurm: Fertige Planeten wandern hin und her und manche von diesen Bewegungen sind zu schnell. Das Problem ist, dass man das nicht beobachten kann, weil es zu weit weg ist und trotzdem lange dauert. Also selbst, wenn es nur 100.000 Jahre sind, was für den Planeten schnell ist, dauert das eindeutig zu lang für eine Doktorarbeit. Sie können den Anfang sehen – das Gas und den Staub – und hinterher den Planeten. Aber alles dazwischen nicht. Trotzdem ist das Bild jetzt insgesamt schlüssiger. 

Heike Mauer gewinnt Preis für exzellente Genderforschung

Dr. Heike Mauer von der UDE hat einen der zwei Preise für exzellente Genderforschung verliehen bekommen.
 

Antworten auf das menschliche Woher und Warum

Yuval Noah Hararis Sachbuch “Eine kurze Geschichte der Menschheit” wurde weltweit zum Bestseller. Zurecht, findet unsere Redakteurin.
 

10 merkwürdige wissenschaftliche Fakten

Mit diesen zehn Fakten könnt ihr in jeder Konversation punkten.
 
Konversation wird geladen