STUDIUM & FREIZEIT
Hausarbeiten sind eine wahre Plage. Vor allem, wenn man Probleme mit dem Theorieteil hat, weil man den Ausgangstext nicht versteht. Kundige Studierende nehmen dann häufig Einführungstexte zur Hilfe, die einem die komplizierte Theorie in einfacheren Worten erklären und aufschlüsseln sollen. Leider sind die oft wenig hilfreich.
Eine Kolumne von Julia Segantini
Klausuren bedeuten für mich einen weitaus geringeren Stress- und Frustrationsfaktor als Hausarbeiten. Am schlimmsten ist der Teil, bei dem man sich durch die schwierigen Theorietexte quält. Um nicht völlig daran zu verzweifeln, gibt es oft Einführungen in Theorien. Die sollen dabei helfen, durch die komplizierten Gedankengänge der Theoretiker*innen durchzublicken. Leider sind diese Werke häufig nicht viel verständlicher als das Ursprungswerk. Denn wie wir alle wissen, formulieren Wissenschaftler*innen nur zu gern verschwurbelt. Ein Satz geht über acht Zeilen und Sachverhalte müssen mit so vielen Fremdwörtern wie möglich erklärt werden. Schließlich soll man am Ende des Satzes möglichst vergessen haben, wie dieser überhaupt angefangen hat.
Nur mal ein random Beispiel aus „Kulturindustrie“: Theoretische und empirische Annäherungen an einen populären Begriff von Martin Niederauer und Gerhard Schweppenhäuser (Hrsg.): “Im Gegensatz zur Versagung und Konformität der autoritären Kulturindustrie der 1940er und 1950er Jahre, in der Sexualität und Aggression verdrängt waren, treten in der repressiven Realität der spätkapitalistischen Gesellschaftsformation Hedonismus und Individualismus auf, die laut Marcuse der „repressiven Entsublimierung“ einer gewandelten Kulturindustrie verbunden sind.”
Jo, alles klar ne? Sollte ich nach dem Lesen dieser Texte nicht eigentlich mehr als vorher wissen und mich mit frisch gewonnen Erkenntnissen und Enthusiasmus an meine Hausarbeit setzen? Leider machen diese Wissenschaftler*innen in meinen Augen ihren Job nicht vernünftig. Anscheinend wollen sie das auch gar nicht. Sie wollen niemandem das Leben leichter machen und keinen ernsthaften Versuch wagen, Klarheit in abstrakte Theoriekonstrukte zu bringen.
Am Ende des Satzes soll man möglichst vergessen haben, wie dieser überhaupt angefangen hat.
Sie wollen vor allem eins: Zeigen, wie klug und überlegen sie im Gegensatz zu uns sind. Wissenshierarchien abbauen wollen sie nicht. Erziehung zur Mündigkeit? Fehlanzeige. Arrogante Wissenschaftler*innen bleiben gern in ihrer Blase und haben kein Interesse daran, uns Normalsterblichen Zugang zu ihrer Welt und ihrem Wissen zu gewähren. Ein strukturelles Problem natürlich, finden wir dieses Phänomen doch überall in der Gesellschaft, vor allem an Universitäten.
Was am Ende bleibt, ist Frust. Aber was können wir dagegen tun? Im Grunde nicht viel. Den Ärger versuchen abzuschütteln, die Textstelle zum fünften Mal lesen – die Worte laut vorlesen kann übrigens schon hilfreich sein – im Freundes- und Bekanntenkreis herumfragen, ob sich jemand mit der Theorie auskennt und Lerngruppen bilden. Vielleicht der sinnvollste Tipp: Den*die Dozierende*n mit der 15. E-Mail nerven und zum siebten Mal in der Sprechstunde auftauchen. Euch zu helfen ist schließlich deren Job, habt also keine Hemmungen. Kopf hoch, wir kriegen das hin. Übrigens: Kennt sich jemand mit der kritischen Theorie von Adorno aus?