SCHWERPUNKT
Mein Nebenjob war notwendig, um mir mein Leben, das Studium und die Miete zu finanzieren. Durch diese Verantwortung nahm er in meinem Leben immer mehr Raum ein. Der Verlust des Jobs stellt mich nicht nur vor eine finanzielle Herausforderung, sondern auch vor eine psychische.
Eine Kolumne von Helena Wagner
Nervös schaue ich auf die Uhr – 15:42 Uhr. Mein Laptop steht auf dem Bett, ich lasse die restlichen Minuten der Vorlesung als Hintergrundgeräusch laufen, während ich hastig meine Tasche packe und mich umziehe. Von der Vorlesung habe ich nicht wirklich etwas mitbekommen, weil ich mit den Gedanken bereits bei der Arbeit war. Ich werde mir die nötigen Informationen später bei meinen Kommiliton:innen besorgen. Um Punkt 15:45 Uhr verlasse ich das Zoom-Meeting und schließe den Laptop. Im nächsten Moment bin ich auf dem Weg zur U-Bahn-Station, um pünktlich zu meiner Schicht im Restaurant zu erscheinen. Nach Feierabend komme ich zwischen 1 und 2 Uhr nachts nach Hause. Bis ich schlafe, ist es 3. Ich stehe nach einem solchen Tag so unter Strom, dass es mir schwerfällt, mental und körperlich runterzukommen. Der Wecker klingelt um 7.30 Uhr, um 8 beginnt die nächste Vorlesung.
Mein Alltag war anstrengend, aber ich brauchte diesen Nebenjob. Ohne ihn konnte ich weder meine Miete noch meinen Lebensunterhalt finanzieren. Es war mir von Anfang an klar, was der Umzug in die Stadt finanziell für mich bedeuten würde. Doch das war mir egal. Ich tat das gern, denn das Studium und meine Wohnung waren alles, was ich wollte. Im Laufe der Zeit geriet das Studium immer weiter in den Hintergrund und wurde zur Nebensache, während meine Arbeit im Restaurant zur Priorität wurde. Ich konzentrierte mich mehr auf den Job, machte Überstunden, war dafür in den Vorlesungen nicht mehr richtig dabei. Vor- und Nachbereitung des Stoffs fiel komplett weg. Die Zeit, die ich übrig hatte, benötigte ich für den Haushalt oder um Schlaf nachzuholen.
Ein Loch namens Arbeitslosigkeit
Anfang November kam der zweite Lockdown. Das hieß für mich: Arbeitslosigkeit. Ich beschloss, für den November zu meinen Eltern zurückzuziehen, um etwas Geld zu sparen. Die Miete konnte ich von meinen Rücklagen zahlen. Doch aus November wurde Dezember, dann Januar, dann Februar. Der Laden machte bis März nicht mehr auf.
In mir wuchs die Angst und wurde zur Panik. Im Februar waren meine Ersparnisse aufgebraucht. Ich wusste nicht mehr, wie ich meine Miete zahlen sollte. Der Antrag auf Überbrückungshilfe wurde mit der Begründung abgewiesen, dass keine ausreichende Notlage nachgewiesen werden konnte. Obwohl ich nur noch 30 Euro auf dem Konto hatte. Meine Eltern hatten mir im Monat vor der Antragstellung Geld überwiesen, um meine Miete zahlen zu können.
Psychische Belastung in der Klausurenphase
Durch diesen Stress brach ich oft zusammen. Ich wusste nicht mehr, wie ich ohne die Unterstützung meiner Eltern über die Runden kommen sollte, und das war mir peinlich. Ich entschloss mich dazu, meine erste Wohnung zu kündigen. Dieser Schritt war ein sehr schmerzhafter. Doch mit der Entscheidung, ein kleines WG-Zimmer zu beziehen, ließ sich einfach viel mehr Geld sparen, unabhängig davon, ob und wie die Situation sich im Laufe des Jahres ändern würde.
Ich hatte Glück, dass ich mich durch einen neuen Job, dem Unterkommen bei meinen Eltern und den Umzug in eine WG finanziell etwas erholen konnte. Die Angst und die Sorgen, die mich begleiteten, beschäftigen mich immer noch und waren alles andere als förderlich für mein Studium. Die Klausuren, die ich in dieser Zeit schreiben musste, habe ich nur knapp bestanden. Das ärgert mich, weil ich weiß, dass ich unter anderen Umständen definitiv besser hätte abschneiden können. Für das neue Semester habe ich mir vorgenommen, mich mehr auf mein VOLLzeitstudium zu konzentrieren, indem ich weniger arbeite.