SCHWERPUNKT
Zyklusphasen beeinflussen das Wohlbefinden von Menstruierenden, das ist allseits bekannt. Aber wusstest du auch, dass die damit einhergehenden Hormonschwankungen Einfluss auf Muskelaufbau und Verletzungsrisiko nehmen? Wie du im Einklang mit deinem Zyklus trainieren und so dein Wohlergehen optimieren kannst.
Hinweis: Die Informationen beziehen sich auf einen Durchschnittszyklus ohne Beeinflussung durch künstliche Hormone wie zum Beispiel die Antibabypille.
Viele Menstruierende spüren mit dem Ablauf ihres Menstruationszyklus körperliche und geistige Veränderungen. Aufgrund von Stimmungshochs und -tiefs, Schmerzen und schwankender Lust auf soziale Interaktion wird immer häufiger dazu geraten, den Alltag an den Zyklus anzupassen. Beim Sport findet unser Hormonhaushalt allerdings noch wenig Beachtung. Trotz Regelschmerzen quält man sich durch das harte Workout, um seinen Trainingsfortschritt nicht zu mindern. Oder man streicht den Sport ganz vom Tagesplan, weil man sich zu schwach für das gewohnte Training fühlt.
Beides erscheint kontraproduktiv, wenn man die einzelnen Zyklusphasen, die Wirkmechanismen ausschlaggebender Hormone, aber auch die Wirkung von Sport genauer betrachtet. Denn: Der richtige Sport kann Regelbeschwerden lindern. Und: Der richtige Zeitpunkt für den richtigen Sport kann Muskelwachstum und Regeneration erheblich fördern. Dieser Ratgeber soll dennoch nicht zu leistungsmotiviertem Denken anstiften. Er soll darüber aufklären, zu welchen Zyklusphasen unser Körper natürlicherweise belastbarer ist als in anderen und so bei einem Training im Einklang mit den eigenen Bedürfnissen unterstützen.
Diese Hormone beeinflussen Zyklus und Training
Für den Menstruationszyklus sind einzelne Hormone besonders wichtig. Dazu gehören das Follikelstimulierende Hormon (FSH), das Luteinisierende Hormon (LH) sowie Östrogen und Progesteron. Die beiden Hormone FSH und LH werden im Gehirn produziert und wirken in den Eierstöcken. Sie fördern die Produktion der Hormone Östrogen und Progesteron, die vermehrt in der zweiten Zyklushälfte zum Einsatz kommen und Einfluss auf unsere Leistungsfähigkeit haben können. Sie werden zwar überwiegend im Eierstock gebildet, wandern aber durch den gesamten Körper. Dementsprechend beeinflussen sie nicht nur unseren Menstruationszyklus, sondern verschiedene Körperbereiche.
Östrogen wird eine anabole, also aufbauende Wirkung zugesprochen. Gespaltene Glukose gelangt schnell in die Muskel- und Fettzellen, wo sie gespeichert oder verbrannt werden kann. Der Aufbauprozess von Muskelmasse wird gefördert. Außerdem sorgt Östrogen für vermehrtes Freisetzen freier Fettsäuren. Dadurch wird die Energiegewinnung durch Fettverbrennung bei sportlicher Aktivität begünstigt. Östrogen lockert zusätzlich das Gewebe, sodass Sehnen und Bänder bei einem hohen Östrogenspiegel an Stabilität verlieren und steigert die Lust auf soziale Interaktion. Progesteron hingegen hat eine katabole, abbauende Wirkung. Der Aufbauprozess von Muskelmasse wird beeinträchtigt.
Wie trainieren in welcher Zyklusphase?
Die erste Phase des Menstruationszyklus, die frühe Follikel-Phase oder auch Periode, beginnt mit dem ersten Tag deiner Blutung und dauert ungefähr bis zum fünften Tag an. Es wird kein Progesteron produziert. Das Hormonlevel an FSH, LH und Östrogen erreicht in dieser Phase seinen natürlichen Tiefpunkt.
Solltest du in dieser Phase unter Regelschmerzen leiden, eine Jogging-Runde dennoch meistern können, ist leichtes Cardio Training zu empfehlen: Die dadurch angekurbelte Durchblutung kann Bauchkrämpfen entgegenwirken, freigesetztes Serotonin wirkt stimmungsaufhellend. Wenn dein Körper zu Cardio Nein sagt, dir aber nach sportlicher Betätigung ist, kannst du dich an ruhigen Stretching- und Yogaeinheiten versuchen. Sie wirken ebenfalls entkrampfend und können bei Regelschmerzen Abhilfe schaffen.
[Foto: Julika Ude]
Kurz nach den Blutungen beginnt die zweite Phase, auch späte Follikel-Phase genannt, die ungefähr vom sechsten bis zum 12. Tag andauert. Durch FSH wird die Bildung einer neuen Eizelle in einem Follikel, einem „Bläschen“, dass die Eizelle umgibt, angeregt. In den Wänden des Follikels wird Östrogen gebildet, weswegen der Östrogenspiegel steigt.
Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Petra Platen fand heraus, dass Krafttraining vor dem Eisprung wirkungsvoller ist als in der zweiten Zyklushälfte. In dieser Phase kannst du dir die anabole Wirkung des Östrogens besonders gut zu Nutzen machen. Dein Körper hat nun die Kapazitäten, sowohl im Ausdauer- als auch im Kraftbereich zur Höchstform aufzulaufen. Durch eine hohe Kontaktfreudigkeit zu diesem Zeitpunkt lohnt es sich, einen Blick auf Angebote zu Gruppenaktivitäten in deinem Umfeld zu werfen. Ein Spinningkurs mit den Freund:innen, Fußballspielen oder Wandern berücksichtigen deine körperliche Belastbarkeit, genauso wie dein Bedürfnis nach sozialer Interaktion.
Vorsicht bei Sport um den Eisprung
In der Ovulations-Phase, die ungefähr vom 13. bis zum 16. Tag andauert, erreicht der Östrogenspiegel seinen höchsten Stand. Wie in der vorherigen Phase sind wir zu Höchstleistungen fähig und erzielen langfristige Leistungssteigerungseffekte. Du kannst dich nun gut an High Intensity Workouts und Bootcamps versuchen. Allerdings ist Vorsicht geboten, da es durch die veränderte Dehnbarkeit von Bändern leichter zu Verletzungen kommen kann. Forscher:innen der University of Michigan fanden heraus, dass Sportverletzungen bei Frauen vermehrt in den Tagen rund um den Eisprung auftreten. In dieser Phase solltest du, egal bei welcher Sportart, auf die Form der Ausführung besonders achten.
Die letzte Phase, Luteal-Phase genannt, beginnt direkt nach dem Eisprung und dauert von Tag 17 bis zum 28. Tag. Der Follikel wird in den sogenannten Gelbkörper umgewandelt, in dem das Hormon Progesteron gebildet wird. Dementsprechend ist die frühe Luteal-Phase besonders durch einen Anstieg der Progesteron-Werte und einen Abfall von Östrogen geprägt. Die späte Luteal-Phase beginnt mit der Rückbildung des Gelbkörpers. Der Östrogen- und Progesteronspiegel sinkt.
Durch die katabole Wirkung des Progesterons fallen dir Leistungssteigerungen schwerer. Da in dieser Phase die Energiebereitstellung durch Fettstoffwechsel dominiert wird, eignet sich die Phase sehr gut für längere Trainingseinheiten bei einer Intensität unterhalb der maximalen Belastungsgrenze. Du kannst beispielsweise beim Krafttraining Gewichte weglassen, dafür aber mehr Wiederholungen machen. Durch den Abfall des Östrogenspiegels in der späten Luteal-Phase eignen sich Technikübungen und funktionelle Kraftübungen als sportliche Aktivität, um deinen Körper nicht überzustrapazieren.