SCHWERPUNKT
Das Wintersemester 2020/21 steht vor der Tür. Klar ist: durch die Corona-Pandemie wird es ein weiteres Online-Semester geben. Somit wird auch der Studieneinstieg der Erstsemester in einem rein digitalen Format stattfinden. Wir haben mit zwei Erstis über ihren Start ins Studium gesprochen. Außerdem haben wir uns angeschaut, wie gut die UDE auf das kommende Semester vorbereitet ist und einen Blick in die Zukunft gewagt.
„Ich finde es schon schade, dass erstmal alles online stattfinden wird. Ich kenne das normale Studierendenleben zwar nicht, weil es mein erstes Studium ist, aber man wird sicher nicht so in Kontakt kommen mit Leuten aus dem Studiengang, wie üblicherweise“, bedauert Simon*. Er ist 24 Jahre alt und beginnt zum Wintersemester 2020/21 sein Studium im Fach Erziehungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen (UDE). Aufgrund der Corona-Pandemie befinden sich Universitäten und Studierende seit Frühjahr in einer bisher unbekannten Situation: Das Sommersemester fand an der UDE bereits in einem digitalen Format statt. Am 26. Oktober startet das Wintersemester, das als hybrides Semester geplant ist. Somit erleben die Erstsemester in diesem Jahr keinen Start in ihr Studium, wie es üblich wäre: Die Orientierungswoche entfällt zum größten Teil, ebenso wie das Erkunden des Campus und das Kennenlernen der Kommiliton:innen. In der Orientierungswoche erhalten die Studierenden normalerweise wichtige Informationen zur Stundenplanerstellung und Angeboten an der Universität.
Auch Danny beginnt im Oktober ihr Lehramtsstudium an der UDE in den Fächern Geschichte und Mathematik. Sie hat bereits durch die sozialen Netzwerke Kontakte zu anderen Erstsemestern geknüpft, daher ist sie nicht allzu traurig über den digitalen Semesterstart: „Die Sicherheit und Gesundheit von Studierenden und Dozenten gehen definitiv vor. Trotz allem freue ich mich sehr.“ Sie hat sich bereits für einen der angebotenen Vorbereitungskurse der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) angemeldet.
Die Vorkurse finden seit Anfang September statt und werden von rund 2.000 Studierenden sehr gut angenommen, erzählt Prof. Dr. Isabell van Ackeren, Prorektorin für Studium und Lehre an der UDE. Während der Corona-Krise konferiert sie wöchentlich mit Vertreter:innen der Fakultäten, den Serviceeinrichtungen, der Verwaltung und den Studierenden der UDE, um während der besonderen Zeit pragmatische Lösungen und Ansätze für die Online-Lehre abzustimmen und zu besprechen.
Laut van Ackeren muss man neue Wege gehen, um den Studierenden einen guten Einstieg in das Studium zu ermöglichen: „Wir haben auf zentraler Ebene, in den Fakultäten und auch in den Fachschaften viele Angebote im digitalen Format entwickelt. Neben den fachlichen Angeboten gibt es soziale Online-Events, um ein Kennenlernen unter den Studierenden zu ermöglichen.“
Den Aspekt des Kennenlernens anderer Studierender darf man ihrer Meinung nach nicht unterschätzen, um an der Universität gut anzukommen. Die Orientierungswoche wird in diesem Jahr überwiegend auf ein digitales Format ausweichen. Zu diesem Zweck wurden Video-Tutorials vorproduziert, die die wichtigsten Online-Tools der UDE vorstellen, aber auch grundlegende Tipps für einen gelungenen Studieneinstieg geben. Des Weiteren gibt es auf der Homepage der UDE ein eigens für Erstsemester eingerichtetes Portal, auf dem alle Angebote der Universität zu finden sind. In einem Video stellen sich unter anderem wichtige Personen der UDE vor, wie zum Beispiel der Rektor Prof. Dr. Ulrich Radtke.
Dieser wünscht in einer kleinen Ansprache allen Erstis einen guten Start ins Studium und einen guten Studienverlauf. „Es ist ein Start, der ungewöhnlicher ist, unter Corona-Bedingungen, aber wir haben uns bemüht, möglichst viele Präsenzveranstaltungen für Sie bereitzuhalten, damit Sie auch die Universität kennenlernen. Universität lebt vom Miteinander, vom Diskurs, also der Diskussion miteinander“, erläutert Radtke im Video. Ob Präsenzveranstaltungen im kommenden Semester aufgrund der aktuell steigenden Zahlen von Corona-Infizierten tatsächlich möglich sein werden, bleibt abzuwarten. Van Ackeren ist sich jedoch in einer Sache sicher: „Wir schaffen mit der Digitalität andere Zugänge zur Universität, die sicherlich auch im Hinblick auf eine Präsenzuniversität bereichernd sein können.“
Wie gut ist die UDE vorbereitet?
Ängste oder Sorgen haben Simon und Danny bezüglich ihres Studienbeginns nicht. Simon verspürt eher Nervosität: „Vielleicht ist es ein klein bisschen Aufregung. Ich bin sehr gespannt, wie es letzten Endes ablaufen wird.“ Alle grundlegenden Informationen hat er für seinen Start am 26. Oktober von der UDE bereits erhalten, eine richtige Vorstellung von den Online-Veranstaltungen hat er bisher jedoch nicht. Auch Danny fehlen noch einige Informationen rund um digitale Vorlesungen und Seminare. Doch sie bleibt entspannt: „Viele Fragen werden mit Sicherheit in der O-Woche geklärt, bis dahin werde ich mich in Geduld üben müssen.“
Das Einschreibeverfahren, das in diesem Jahr nicht vor Ort stattfinden konnte, lief bei ihr reibungslos ab. Die Unterlagen, die sie dazu einreichen musste, hat sie am selben Tag ihrer Zulassung noch online hochladen können: „Es dauerte ein paar Tage und schon war ich immatrikuliert. Der Studierendenausweis kam letzte Woche dann auch endlich an.“
Durch das hybride Sommersemester konnte die UDE bereits Erfahrungen in Online-Lehre und Studium sammeln. Diese Erfahrungen können nun den Erstsemestern zugutekommen. „Mit unserer Strategie im Bereich der Digitalisierung in Studium und Lehre erproben wir ja schon seit vielen Jahren Möglichkeiten sinnvoller digital gestützter LehrLern-Settings. Technisch haben wir im Sommer weiter aufgerüstet, auch entlang der konkreten fachspezifischen Bedarfe in den Fakultäten. Zudem haben wir viele Mitarbeiter:innen, die sehr gut technisch und didaktisch beraten können“, berichtet van Ackeren. Evaluationen hätten ebenfalls dabei geholfen, das kommende Semester anzupassen und systematische Problemlagen erkennen und angehen zu können.
Auch die Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), Aylin Kilic und Maximilian Wernicke, sehen die UDE gut für den Studienstart vorbereitet: „Die Univerwaltung und die Fakultäten geben sich sehr viel Mühe, die Studierenden nicht alleine zu lassen. Durch Videos, Podcasts und Social Media Beiträge wird von der Uni und uns versucht, den Informationsfluss aufrecht zu erhalten. Erfahrungen aus dem letzten Semester wurden in die digitale Lehre mit eingeflochten.“ Der AStA bemühe sich durch seine beratende Funktion im Senat, der Diversity-Kommission und der Task-Force für Studium und Lehre, die studentische Perspektive in diese Planungen aktiv mit einzubringen.
Technische Aufrüstung
Unter anderem ist ein Laptopverleih in Kooperation mit dem Zentrum für Informationsund Mediendienste (ZIM) entstanden. Nach einem entsprechenden Antrag beim AStA können die Geräte ausgegeben werden. „So können wir Studierenden ohne entsprechende technische Ausstattung die Teilnahme an der Online-Lehre ermöglichen“, schildern Kilic und Wernicke.
Auch die UDE hat im vergangenen Sommersemester technische Vorkehrungen getroffen. „Es wurde kurzfristig die Anzahl der gleichzeitig möglichen VPN-Verbindungen in das Netz der UDE erhöht, um das Arbeiten von daheim zu verbessern“, beschreibt van Ackeren die technische Aufrüstung. Außerdem wurde RocketChat als ein neues digitales Kommunikationsmedium eingeführt und beispielsweise Big-Blue-Button Videokonferenzsysteme von der UDE für die Online-Lehre zur Verfügung gestellt.
Es kann schwer sein, sich im Home-Office für das Studium zu motivieren.
Für van Ackeren kommt es, neben der technischen Infrastruktur an der Universität, aber vor allem auf die Kommunikation zwischen den Lernenden und den Lehrenden sowie auf die Qualität der Auseinandersetzung mit den Lerninhalten an. Hierbei sieht sie die größte Herausforderung: „Denkprozesse auf einem hohen kognitiven Niveau anzuregen und damit auch Verständnisund Problemorientierung in digitalen Formaten zu bewirken.
Zugleich bieten sich hier Chancen, andere Lernwege zu ermöglichen und die Qualität von Lehr-Lernprozessen hochschulweit zu reflektieren.“ Eine große Herausforderung bleiben allerdings die Präsenzprüfungen. Aufgrund der Pandemie stehen die Organisator:innen hier vor besonderen Herausforderungen, bei denen die UDE vor allem räumlich an ihre Grenzen stößt. E-Prüfungen würden rechtlichen Risiken unterliegen, gibt van Ackeren zu bedenken: „Wir haben mit sogenannten Take-Home-Exams über Moodle im Sommersemester ein neues Prüfungsformat eingeführt, welches auch im kommenden Wintersemester fortgeführt wird, um Ausarbeitungen und deren digitale Einreichung auch von zu Hause aus zu ermöglichen.“
Motivation im Home-Office
Studieren bedeutet allerdings nicht ausschließlich soziale Teilhabe oder die Teilnahme an Vorlesungen und Seminaren – ob am Campus oder digital. Ein Studium erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation und ist mit schulischem Unterricht kaum vergleichbar. Simon hat nach seinem Abitur im Jahr 2014 bereits eine Ausbildung zum Erzieher absolviert. Einen Vorteil gegenüber den Studierenden, die gerade frisch ihr Abitur bestanden haben, sieht er darin nicht: „Ich glaube, das kommt immer darauf an, wie man als Einzelperson mit Herausforderungen wie dieser umgeht.“ Von Bekannten weiß er, dass es schwer sein kann, sich für ein Studium im Home-Office zu motivieren: „Es kann einen Ausbrennungsfaktor haben, wenn man die ganze Zeit wirklich nur von zu Hause arbeitet. Man kann leichter abgelenkt werden als am Arbeitsplatz.“ Dass fehlende Motivation für ihn zu einem Problem werden könnte, glaubt er erst einmal nicht: „Vielleicht wird es auf längere Sicht schwieriger, wenn ich über einen langen Zeitraum hinweg im Home-Office war. Das wird sich zeigen.“ Danny hat im vergangenen Jahr ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg am Abendgymnasium nachgeholt. Zudem arbeitete sie währenddessen in einem Vollzeitjob. Dadurch konnte sie an ihrer Disziplin arbeiten: „Ich war schon immer recht organisiert und habe viel Wert auf große Vorbereitung gelegt. Daher denke und hoffe ich, dass mir das im Studium auch nicht allzu große Probleme bereiten wird.“ Schule und Universität lassen sich nicht miteinander vergleichen, weiß Danny.
„Leider wird es kein nennenswertes Campusleben geben.“
Daher habe sie Respekt vor dem ersten Semester: „Ich mache mir schon Gedanken über die Ansprüche, die das Studium und die einzelnen Fächer an mich stellen werden.“ Van Ackeren hält einen regelmäßigen Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden sowie digital gestütztes Lernen für einen guten Studienstart für äußerst relevant. Dazu müssten aber auch die Studierenden beitragen und die entsprechenden Angebote in Anspruch nehmen: „Soziale Eingebundenheit lässt sich zum Beispiel über Kleingruppenarbeit erzielen. Viele Videokonferenzprogramme bieten entsprechende Möglichkeiten für kooperatives Arbeiten.“ Außerdem rät sie zu klar benannten Lernzielen, um die Motivation aufrecht erhalten zu können. Das ließe sich auch digital vermitteln. Unter anderem ist sie der Meinung: „Es könnte stärker mit Studierenden reflektiert werden, wie man unter aktuellen Bedingungen sinnvoll lernen kann, wo Probleme auftauchen und was man gemeinsam tun kann.“
Zudem bestünden Bedenken, dass nach dem digitalen ersten Semester mehr Studierende „das Handtuch werfen“ könnten als in den Jahren zuvor. „Grundsätzlich ist das eine Sorge, die ich insbesondere von Fächern vermittelt bekomme, wo die Zahl der Studienausstiege auch vor Corona im Fächervergleich traditionell höher war“, berichtet van Ackeren. Forschungsberichte würden darauf hinweisen, dass „insbesondere First Generation Students gegenüber Studierenden aus Familien mit akademischer Vorerfahrung ein signifikant höheres Risiko für einen Studienabbruch“ haben. Darauf müsse man ein besonderes Auge haben, gibt sie an. Doch ihr ist klar, dass die Gründe für einen Studienabbruch vielfältig sein können. Folglich müsse es in diesen Zeiten noch mehr gelingen, die soziale Interaktion zwischen den Studierenden und die Eingebundenheit in Studierendengruppen zu fördern: „Neben Motivationsaspekten, fachlichen Interessen und Vorwissen sind dies auch die wahrgenommene soziale Integration, soziale Unterstützung, Wertschätzung und Ermutigung in der Studieneingangsphase, gute Kontakte zu den Lehrenden und Studierenden, organisationale Unterstützungsleistung zur Verringerung von Verunsicherung, Fremdheitsgefühlen und Isolation.“
Blick in die Zukunft
Wann ein Campusleben wieder in Präsenz stattfinden kann, steht zu diesem Zeitpunkt noch in den Sternen. Solange müssen Studierende und die UDE auf digitale Lehre setzen. Danny freut sich zwar auf ein Unileben vor Ort, hat aber trotz allem leichte Bedenken: „Es bereitet mir Sorge, dass man vielleicht zu früh zurückkehrt, anstatt noch etwas abzuwarten.“ Auch Simon sieht den kommenden Semestern in Präsenz mit Freude entgegen. Er ist bereits nach Essen gezogen, um schnell und einfach am Campus sein zu können. Vor allem freut er sich auf ein einfacheres Kontakte knüpfen und das Campusleben: „Klar wird es auch aktuell immer Möglichkeiten und Wege geben, zum Beispiel sozialen Anschluss zu finden, aber in einem normalen Rahmen wird alles sicher flüssiger und einfacher ablaufen.“
Die AStA-Vorsitzenden Kilic und Wernicke sehen im kommenden Semester vor allem aus der Sicht der Lehre die Möglichkeit, individueller auf die Bedürfnisse der Studierenden eingehen zu können, vermuten durch den Wegfall des klassischen Austauschs mit Kommiliton:innen aber ein Risiko für das soziale Ankommen im Studium: „Leider wird es kein nennenswertes Studierendenleben auf dem Campus und drum herum geben, was natürlich auch zum Studium dazu gehört. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Erstis zurechtfinden. Das ist mit Sicherheit auch abhängig von den Fachschaften und den Fakultäten.“ Doch werden jetzige Student:innen im ersten Semester dieselben Chancen haben, sich am Campus zurechtzufinden, wie Studierende, die ihr erstes Semester in Präsenz erlebt haben? Frau van Ackeren sieht in der Chancengleichheit keine Probleme: „Wir sind digital sehr gut aufgestellt und unsere Webseiten enthalten viele Informationen für Studierende. Das kann nicht in allen Bereichen den Kontakt in Präsenz ersetzen, aber mit Unterstützung der älteren Semester, Kommiliton:innen und Fachschaften werden die Erstsemesterstudierenden sehr gut in das Campusleben eingebunden sein.“
*Name von der Redaktion geändert