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UDE-Student Milad: Warten auf die Rettung aus Afghanistan

 Am Nord-Gate des Kabuler Flughafen wartete Milad zuerst vergeblich auf die Ausreise aus Afghanistan. [Symbolfoto: pixabay]

30.08.2021 14:09 - Özgün Ozan Karabulut

Lehramtsstudent Milad* von der Universität Duisburg-Essen (UDE) befand sich mit seiner Familie in Afghanistan, während die Taliban die Macht in Kabul übernahmen. Als die Lage nicht mehr sicher war, mussten sie nach Deutschland ausreisen. Milad konnte schließlich nach mehreren Versuchen zusammen mit seiner Familie ausgeflogen werden und ist nach einer Odyssee inzwischen wieder zurück in Essen.

Milad reiste Anfang August mit seiner Familie für einen ursprünglich zweiwöchigen Aufenthalt nach Afghanistan, um vor dem Abzug der NATO-Truppen das Heimatland seiner Eltern zu besuchen. Als die Hauptstadt Kabul an die Taliban fiel, spannte sich die Situation zunehmend an. Viele Afghan:innen machten sich verzweifelt auf den Weg zum Kabuler Flughafen, um vor den Taliban zu fliehen. 

Studis in Krisensituationen

Zuständig für die Unterstützung und Betreuung deutscher Staatsbürger, die im Ausland in eine Notsituation geraten, ist das Auswärtige Amt (AA). Die deutschen Auslandsvertretungen verfügen über die Mittel und Kontakte, um vor Ort Hilfe zu leisten. Es gibt auch mit einem deutschen Pass keinen Anspruch darauf, in Krisensituationen evakuiert zu werden.

Studierende mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit müssen sich in Krisenfällen an die Auslandsvertretung ihres jeweiligen Landes wenden.
Deutsche Studierende sollten sich schon vor Reiseantritt in der Elefand-Krisenvorsorgeliste des AA eintragen. Unabhängig von der Nationalität sollten alle Studierende die Webseiten des AA zur Reisesicherheit frühzeitig vor Reiseantritt und regelmäßig während des Auslandsaufenthalts lesen. Wenn das AA Reisewarnungen ausspricht, sollten Reisen in das jeweilige Land unbedingt storniert werden.

Bilder von Tausenden dicht aneinander gedrängten Menschen vor dem Flughafen in Kabul gingen um die Welt. Inmitten der Ereignisse Milad, der UDE-Lehramtsstudent mit seiner Familie, die vergeblich auf eine Ausreise wartete. Laut dem Auswärtigen Amt ist die deutsche Botschaft in Kabul seit dem 15. August geschlossen, was den Kontakt zu den deutschen Behörden erschwerte.

Auch das Akademische Auslandsamt der UDE stand in Kontakt mit Milad, der im Interview mit Radio Essen von den Ereignissen rund um die Ausreise berichtete. Zuvor hatte er über Instagram auf seine verzweifelte Situation aufmerksam gemacht und unter anderem das Auswärtige Amt um Hilfe gebeten. Der zivile Luftverkehr in Afghanistan wurde eingestellt, eine Ausreise war demnach nur über den militärischen Teil des Kabuler Flughafens möglich.

Eine Mischung aus Verzweiflung und Angst

Mehrere Versuche zu diesem Teil des Kabuler Flughafens zu gelangen scheiterten. Das schlimmste Erlebnis war für Milad die Situation vor dem Nord-Gate: Der Bereich des Flughafens, der von NATO-Soldat:innen kontrolliert wurde und für die Ausreise aus Afghanistan vorgesehen war.

Deutsche Staatsangehörige wie Milad und seine Familie wurden von den US-Soldat:innen am Gate laut dem Studenten ignoriert. „Wir waren kurz davor und haben gedacht: Jetzt haben wir es geschafft. Und dann ist es eskaliert, weil immer mehr Menschen dazu kamen. Dann gab es Schüsse, Tränengas und meine Schwester war auf einmal weg.“ Ihn packte eine Mischung aus Verzweiflung und Angst, nie wieder nach Essen zurückkehren zu können.

Beim letzten Versuch auszureisen musste der Busfahrer bestochen werden, damit er schließlich doch zum Flughafen und dem richtigen Gate fuhr. Nach vielen Stunden des Wartens mussten sie durch mehrere Checkpoints der Taliban. Es wurde verhandelt und schließlich konnte Milad mit seiner Familie zum Flughafen. „Wir waren dem Busfahrer ausgeliefert. Aber wir waren so verzweifelt; wir dachten, wir müssen das jetzt durchziehen“, erzählt Milad sichtlich emotional.

Endlich zuhause in Sicherheit

Als sie schließlich den militärischen Teil des Kabuler Flughafens passierten, brach in ihm ein Gefühlschaos aus. Einerseits empfand er Freude nach Hause zu kommen, andererseits sah er die Verzweiflung bei den zurückgebliebenen Menschen vor dem Nord-Gate. „Ich wusste, die sind nicht so privilegiert wie ich, die haben nicht den deutschen Pass. Die werden das Land auch nicht verlassen können, die haben nicht für die Ortskräfte gearbeitet“, beschreibt der Student seine Gefühlslage.

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Der Busfahrer musste bestochen werden, damit er zur richtigen Stelle am Flughafen fährt. [Symbolfoto: pixabay]
 

Über den Flughafen Taschkent in Usbekistan wurde Milad dann gemeinsam mit seinen Angehörigen nach Frankfurt ausgeflogen, ehe es zurück in die Heimat nach Essen ging. Für Milad sind momentan Arbeit und Studium zweitrangig. „Mit Unikram möchte ich mich momentan nicht beschäftigen“, sagt er. Nun stehe erstmal an, mit dem Erlebten klarzukommen. „Wie das gelingen soll, wissen wir nicht, aber es wird sich bestimmt ein Weg finden“, ist der Essener optimistisch.

* Name nachträglich geändert

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