Studentische Monatszeitung für Duisburg, Essen und das Ruhrgebiet

LOKALES

Halt Studium, ich mach’ ein Café auf!

Die Cafébesitzer:innen und ihre Freund:innen [Foto: Café Nesifa]

01.10.2022 14:30 - Gwendolyn Barthe

Psychologie-Studentin Nessi träumt schon seit Jahren von einem eigenen Café - wenn sie mal älter ist. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Anfang September eröffnete sie mit ihrem Freund das „Nesifa” in Essen Rüttenscheid. 

„Hätte man uns an Silvester gefragt, ob wir dieses Jahr ein Café aufmachen, hätten wir nein gesagt“, sagt Nessi. Sie sitzt mit ihrem Freund und Co-Gründer Sefa an einem Tisch ihres Anfang September eröffneten Cafés Nesifa in Essen Rüttenscheid. Die Idee vom eigenen Café hatte die 26-jährige Psychologie-Studentin schon seit sie mit 18 auf Bali war. Sie war fasziniert von den Cafés auf der indonesischen Insel, die viel pompöser und schöner eingerichtet waren, als ihre Pendants im Ruhrgebiet: „In Essen gibt es viel Systemgastronomie, aber wenig mit Herz“. Diese Lücke wollte Nessi füllen – aber erst mit 40 oder 50, wenn sie keine Lust mehr auf ihren Job hätte. Mit Sparen fing sie trotzdem schon an und auch nach Gastro-Objekten schaute sie regelmäßig, nur so aus Interesse.

Viel Gegenwind

„Lass uns doch einfach mal da vorbeigehen“, sagte Sefa, als Anfang des Jahres die Räume eines ehemaligen veganen Restaurants auf Immoscout zur Miete angeboten wurden. „Als ich reinkam, hatte ich gleich das Gefühl, hier ist viel Potential: Große Fenster, viel Platz“, erzählt Nessi.

Mit ihrem Optimismus waren sie und Sefa allerdings allein. „Wir haben ganz viel Gegenwind bekommen, alle haben uns von dem Standort abgeraten.“ In den letzten Jahren hat sich kein Laden auf der Fläche gehalten: Rüttenscheider Mietpreise, aber ohne von der Laufkundschaft auf der Gastro-Meile Rü zu profitieren, dafür an einer Kreuzung ohne Parkplätze gelegen, an der alle nur vorbeigehen. Aber die beiden hörten auf ihr Bauchgefühl. „Wenn du das jetzt nicht machst, machst du es mit 40, 50 auch nicht mehr, habe ich gedacht“, sagt Nessi. Überhaupt eine Gastrofläche zu bekommen, sei schwierig. Im März ging die Renovierung los. Nicht ganz ohne Bauchschmerzen, denn die beiden investierten alles Geld, das sie die letzten Jahre über angespart hatten und Sefa gab seinen Job als Logistikkaufmann auf. Gleichzeitig sagten sie sich: „Im schlimmsten Fall verlieren wir Zeit und Geld und einen neuen Job findet man immer.“ Einen Kredit haben sie nicht aufgenommen, sondern alles selbst finanziert, Nessis Onkel ist außerdem stiller Teilhaber. „Am Ende wurde es eng, weil wir schon ab März Miete zahlen mussten und sich die Eröffnung um zwei Monate nach hinten verschob. Da haben wir uns dann Geld geliehen.“

Orientalisch meets Rührei

Von Anfang an hatte Nessi eine konkrete Vorstellung, wie das Café einmal aussehen soll. „Die Einrichtung ist von meinen Reisen inspiriert. Ich war viel allein als Backpackerin unterwegs, später dann auch mit Sefa zusammen. Außerdem sollte das Interieur zum Menü passen.“ Während es beim Frühstück mit Rührei, Croissant und griechischem Joghurt europäisch zugeht, stehen auf der Abendkarte neben spanischen und italienischen auch arabische Tapas. Deshalb hat sich Nessi im vorderen Teil des Cafés von europäischen Stilen inspirieren lassen. Die Decke ist grün berankt, überall sind Kunstblumen drapiert, selbst an den Lampen. Das erinnert sie an die Londoner Gastro. Im hinteren Raum dagegen hängen unzählige orientalische Lampen von der Decke und eine Wand ist über und über mit Bildern aus aller Welt bedeckt. Viele davon hat Nessi von ihren Reisen aus Spanien, Tunesien und Marokko mitgebracht, den Rest haben sie und Sefa über Monate gesammelt.

Froh über drei Stunden Schlaf

Drei Wochen sind seit der Eröffnung vergangen. Bisher ist der Andrang viel größer als erwartet. „Wir waren gar nicht gut aufgestellt für so viele Gäste.“ Denn der leidige Personalmangel ist auch für Nessi und Sefa ein Problem. „Es war sehr schwer gutes Personal zu finden, die meisten Interessent:innen hatten keine Erfahrung. Wir haben monatelang gesucht.“ Die ersten Sonntage hätten sie total verhauen, erzählt Nessi. Mit 80 Gästen auf einmal und einem versagenden Kassensystem, das die Bestellungen in der Küche nicht angezeigte. „Ein, zwei richtig schlechte Bewertungen auf Google haben wir schon kassiert.“ Mittlerweile gucken die beiden milde auf diese Anfangsschwierigkeiten zurück: „Es hat sich jetzt eingespielt und sowas gehört eben dazu.“

Zwischenfoto Cafe.jpeg
Die Einrichtung des Cafés ist von Nessis Reisen inspiriert.
[Foto: Café Nesifa]

Von Freizeit bisher keine Spur, die beiden freuen sich, wenn sie drei Stunden die Nacht schlafen können. Ihnen ist wichtig, von morgens bis abends selbst im Café mitzuarbeiten, damit es persönlich bleibt und sie dem Namen gerecht werden - eine Kombi aus Nessi und Sefa. „Außerdem ist bei uns alles hausgemacht, von den Marmeladen über die Dressings und Saucen bis zum Kuchen. Deshalb braucht die Vorbereitung viel Zeit.“ Sefa sieht das Ganze realistisch: „In der Gastro wirst du nie nach acht Stunden nach Hause gehen, das ist eine Wunschvorstellung. Irgendwann vielleicht, aber dann hat man sich so an das Pensum gewöhnt, dass man sich neue Projekte suchen wird.“ Ihr Studium hat Nessi erstmal pausiert, den Bachelor will sie aber auf jeden Fall noch zu Ende machen.

Brunch & Bühne

Nessi und Sefa servieren nicht nur Kaffee und Tapas, sondern wollen ein Kreativ-Café sein. „Wir möchten kreative Menschen unterstützen, die einen Raum brauchen, um Musik zu machen oder Workshops und Lesungen anzubieten.” Durch einen Aushang kamen viele Leute auf sie zu, die eine Bühne suchen, zum Beispiel eine Jazzband der Folkwang-Uni.  Deshalb gibt es im Nesifa oft Live-Musik, manchmal schon zum Frühstück. Eine Kombi aus Yoga und Brunch und Weihnachtsbasteln sind auch schon im Gespräch. „Das passt genau in unser Konzept. Unsere Einrichtung ist ja auch kreativ und wir haben unsere Gerichte selbst kreiert und viel ausprobiert.“

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