KULTUR
Du hast genug von Uni-Texten, willst in eine andere Welt abtauchen und suchst noch das passende Buch? Hier gibt’s einmal im Monat einen Schmöker-Tipp aus unserer Redaktion. Dieses Mal: „Wahrheit oder Pflicht: Was ich übers Frausein gelernt habe” von Lena Kupke mit 270 Seiten.
Schlägt man die erste Seite des Buches von Lena Kupke auf, steht dort: „Für alle, die sich manchmal falsch fühlen. Ihr seid genau richtig.” Exakt dieses Gefühl vermittelt Kupke von Kapitel zu Kapitel, wenn sie schonungslos ehrlich und auf witzige Art und Weise von ihren Erfahrungen als Frau seit der Teenagerinnen-Zeit erzählt. Angefangen bei der ersten Periode und der Unsicherheit, die eine junge menstruierende Person empfindet, wenn sie zum ersten Mal Blut in der Unterhose vorfindet.
Sie berichtet von ihrem ersten Liebeskummer (und wie sich Liebeskummer mit dem älter werden verändern kann), von ihren „Herzensfreundinnen” und warum es nicht schlimm ist, nach der Schule nicht zu wissen, in welche Richtung sich der berufliche Werdegang bewegen soll. Oder den Bachelor abzubrechen und etwas ganz anderes zu beginnen. Dabei geht sie immer wieder auf ihre eigenen Unsicherheiten und Zweifel ein, veranschaulicht auf nahbare Weise ihre Gedanken und Gefühle. Der:die Leser:in fühlt mit ihr und erkennt sich gleichzeitig in ihr wieder. „Genau so habe ich mich schon gefühlt”, ist ein Gedanke, der einem:r beim Lesen nicht nur einmal durch den Kopf geht.
Wie eine warme Umarmung
Wenn Kupke von Themen wie Menstruation, Beruf, Beziehungen oder Dating schreibt, nimmt sie auch patriarchale Strukturen, Sexismus und die Diskriminierung von Frauen in den Blick und setzt ihre eigenen Erfahrungen als Frau in der Gesellschaft damit in Beziehung. Als ein Beispiel nutzt sie die Periode und schreibt: „Meine Mutter musste in den Siebziger- und Achtzigerjahren immer wieder erfahren, dass Männer mit Sprüchen wie ‚Hast du deine Tage?’ oder: ‚Die hat ihre Tage‘, den weiblichen Zyklus nutzten, um Frauen als hysterisch und schwach darzustellen.” In den kommenden Zeilen geht sie darauf ein, dass die Periode in der Gesellschaft nicht zum Thema gemacht werde, weil sie mit Scham behaftet ist und Periodenschmerzen oder damit zusammenhängende Krankheiten wie Endometriose nie genug Beachtung gefunden haben oder erforscht wurden.
In diesem Zusammenhang geht sie auf die Pille als Verhütungsmittel mit verheerenden Nebenwirkungen ein, erzählt von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Medikament und setzt diese dann erneut in den Kontext des Patriarchats. „Den Zyklus musst du schließlich erst verstehen, wenn der Kinderwunsch laut wird. Bis dahin brauchst du keinen Zugang zum eigenen Körper. Der Körper einer Frau wird also erst dann untersuchungswürdig, wenn er der Fortpflanzung dienen soll”, schreibt Kupke.
Warum solltet ihr dieses Buch lesen?
Wer „Wahrheit oder Pflicht“ als Lektüre wählt, der:die findet während des Lesens in Lena Kupke eine Freundin, die einen versteht und zum Lachen bringt. Wer nahbare, echte Geschichten aus dem Leben mag, ist mit diesem Buch gut bedient. Als Leser:in fühlt man sich von ihr gesehen und abgeholt. Außerdem vermittelt Kupke eine gute Portion Wissen über feministische Themen und patriarchale gesellschaftliche Zusammenhänge und Strukturen, kombiniert mit Selbstironie und einer Menge Ehrlichkeit.