KULTUR
Seit einigen Jahren gehören OG Keemo und sein Produzent Funkvater Frank zu den vielversprechendsten Talenten der Deutschrap-Szene. Sie haben mit jedem ihrer vorherigen Alben Erfolge verbuchen können. Nach einer längeren Pause bekommen wir endlich die Möglichkeit, ihre Weiterentwicklung zu betrachten.
Keemo hat schon früher eindrucksvoll bewiesen, dass er sich traut, uns an seinem Leben teilhaben zu lassen. So zum Beispiel auf dem Intro seines Debütalbums Skalp. Hier zeichnet er ein intimes Porträt seiner Jugend und seines musikalischen Werdegangs. Ein Track, der kurz nach Veröffentlichung bereits einen Platz in der Geschichte des Deutschraps sicher hatte. Doch während uns früher ab und an ein Einblick gestattet wurde, zeigt Keemo uns in seinem neusten Projekt einen autobiografischen Film. Laut Keemo soll man das Album „mit Kopfhörern und am Stück“ hören. Denn nur so schafft man die Immersion, die das Album verlangt.
Die Welt geht vor die Hunde
Mann Beisst Hund lässt uns in seine Welt aus Hochhausgebieten gefüllt von steuerfreien lila Scheinen eintauchen. Kriminalität, die so in die sozialen Strukturen verflochten ist, dass ein Entkommen unmöglich scheint. Versucht man zu fliehen, ist man eine Snitch, will man nicht Teil des Rudels werden, wird man gebissen. Der Vergleich zum Hund zieht sich durch das gesamte Album und wird uns in den beiden Skits genauer erklärt.
Skits
In vielen Hip-Hop alben gibt es sogenannte “Skits”. Gesprochene Passagen, meist ohne Musik, die entweder zentrale Themen des Albums wiederspiegeln oder für eine kleine Pause sorgen.
Der Metapher liegt eine Diskussion um die strukturellen Rahmenbedingungen, die das „Hundedasein“ schaffen, zugrunde. Sie wirft die Frage auf, wer am Ende die Verantwortung trägt, wer die Macht hat. Dadurch wird ein fundamentaler Gegenpol zur typisch romantisierten Darstellung der Blockkriminalität geboten, welche in diesem und zahllosen anderen Hip-Hop Alben zu finden sind. OG Keemo ist ehrlich und zeigt uns auch die Freiheiten, die mit dem Leben als "Hund” einhergehen.
Patchwork Hip-Hop
Das Album bietet eine vielfältige stilistische Palette, die von den 90er Südstaaten über 2000er Gangsta Rap bis hin zu Einflüssen zeitgenössischer Künstler wie Kendrick Lamar oder Mac Miller geht. Funkvater Frank und OG Keemo nutzen die Lebensstile, die mit bestimmten Subgenres einhergehen, um ihren Film assoziativ zu vervollständigen. So zum Beispiel unterstreicht die klangliche Gegenüberstellung von Suplex, einem stumpfen Banger, und 2009, einem sanfteren Instrumental, ihre inhaltlichen Gegensätze meisterhaft.
Funkvater Frank ist einer der talentiertesten Hip-Hop Produzenten
Deutschlands und auf Mann Beisst Hund zeigt er uns, warum. Er collagiert raue Drumbeats, innovative Melodien und obskure Samples zu einzigartigen Instrumentals. Hier werden zahlreiche Stilrichtungen der Hip-Hop Geschichte geschmackvoll aufeinander abgestimmt. Auf dem Track Civic zum Beispiel erinnert der Drumbeat an Three Six Mafia und Memphis Ende der 90er, während das düstere Bläsersample direkt aus MF DOOMs Sampletruhe stammen könnte. Er schafft einen Flickenteppich, der weder Hommage noch Plagiat ist und durchweg die Liebe zum Genre bezeugt.
Der Beginn einer neuen Ära?
Seit Beginn seiner Karriere wurde Keemo gerne mit Kendrick Lamar verglichen. Aussagen, wie: Mann Beisst Hund sei sein Good Kid, m.a.a.d. City, Kendrick Lamars endgültiger Durchbruch zur etablierten Raplegende, gibt es bereits zahlreich. Ein Vergleich, dem er selbst auf dem Closer des Albums entgegenwirkt: „Ich check, was du meinst / Doch ich steh nicht hinter dem Kendrick-Vergleich“, so Keemo auf dem Track Ende. Einerseits verständlich, jede:r Künstler:in möchte als Individuum betrachtet und nicht als andere Version eines bereits existierenden Projekts gesehen werden. Doch auch eine mutige Aussage Keemos, viele seiner Kollegen würden den Vergleich mit einem der angesehensten Rapper aller Zeiten dankend annehmen. Sollte der Vergleich stimmen, wäre dieses Album für das Duo der Beginn einer spektakulären musikalischen Reise.