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KULTUR

Fanfiction: Zwischen Hogwarts und Youtube

Unter dem Künstlernamen BandeleArt veröffentlicht die 30-jährige Schweizerin Harry Potter Fanfictions und lädt sie auf YouTube hoch. [Foto: privat]

19.05.2022 12:41 - Selome Abdulaziz

Bei Fanfiction denken die meisten vermutlich an Geschichten, die man in Online-Foren lesen kann. Die YouTuberin BandeleArt liest die Geschichten nicht nur, sondern vertont Harry Potter Fanfiction als Hörbücher, die sie auf YouTube und weiteren Streaming-Plattformen hochlädt. Wir haben mit der 30-jährigen YouTuberin aus der Schweiz gesprochen.

Ak[due]ll: Wie kamst du auf die Idee, Fanfiction zu vertonen?

Fanfiction

Fanfiction sind Geschichten, die von Fans auf Basis eines bestehenden Werks geschrieben werden. Es kann von ein paar Sätzen bis hin zu einem Roman reichen und die Fans können die Figuren und Schauplätze des:der Autor:in beibehalten und/oder ihre eigenen hinzufügen. Fanfiction kann auf jedem fiktionalen (und gelegentlich auch nicht-fiktionalen) Thema basieren. Häufige Grundlagen für Fanfiction sind Romane, Filme, Musikgruppen, Zeichentrickfilme, Anime und Videospiele.

Fun Fact: Die Roman-Trilogie „Shades of Grey“ war ursprünglich eine Twilight Fanfiction.

BandeleArt: Ich habe damit im April 2020 angefangen, damals war ich noch im Lehramtsstudium. Durch die Corona Situation wollte ich in die Welt zurück, in der ich mich wohlfühle: Harry Potter. Selber angefangen habe ich, weil die Podcasterin, die ich immer gehört habe, zu viel Werbung in ihren Folgen hatte. Ein Mikrofon musste ich mir eh kaufen wegen des Online-Studiums, mein altes war zu schlecht. Deshalb habe ich mir direkt ein richtiges gekauft. Dann habe ich auf sehr schweizerdeutsche Art und Weise die erste Fanfiction aufgenommen. Schon auf hochdeutsch, aber mit starkem Akzent, also noch mehr als jetzt. (lacht)

Ak[due]ll: Hattest du davor Erfahrung mit Podcasts oder Hörbüchern?

BandeleArt: Nein, das war das erste Mal, dass ich sowas gemacht habe. Ich habe mich aber schon immer für Hörbücher begeistert. Als Kind habe ich sehr viele gehört und das hat mich damals schon inspiriert. Besonders die Geschichten mit dem Kasperle habe ich gerne gehört. Später habe ich erfahren, dass das immer nur drei Sprecher waren und ich war überrascht, dass sie immer anders geklungen haben. Das waren Vorbilder für mich. Der Fokus bei meinen Geschichten ist deshalb, dass ich viel mit verschiedenen Stimmen mache.

Ak[due]ll: Du veröffentlichst nur Harry Potter Fanfiction. Wieso genau diese Welt?

BandeleArt: Ja, ich veröffentliche nur Harry Potter Fanfiction, da gibt es auch jede Menge. Von anderen Geschichten bin ich einfach nicht so gefesselt. Ich spreche bei anderen Geschichten mit, zum Beispiel bei Star Wars, aber da bin ich nur als Synchronsprecherin. Fanfiction bedeutet für mich abschalten und in eine Welt eintauchen, die anders ist, die zum Teil schöner ist und zum Teil gleich. Das habe ich so nur bei Harry Potter. Wenn ich mir vorstelle, dass ich in der Welt bin und einen Zauberstab nehmen und zaubern kann, ist das für mich wie Urlaub, wie Erholung.

Ak[due]ll: Welche Art von Geschichten liest du am meisten? Oneshots (Fanfictions mit nur einem, abgeschlossenen Kapitel) oder lange Geschichten?

BandeleArt: Wenn ich sie höre, darf die Fanfiction gerne lange gehen. Wenn ich sie aufnehmen muss, habe ich es gerne, wenn es 30 Kapitel sind. Ich habe auch schon Geschichten mit bis zu 100 Kapiteln aufgenommen. Als ich vor fünf oder sechs Jahren Fanfiction entdeckte, habe ich alles konsumiert, was ich finden konnte und habe gemerkt, dass mir das Ship Dramione am besten gefällt, einfach, weil Draco ein Böser ist. Es fasziniert mich auch,  wenn Hermine sich ins Negative verwandelt. Sonst mag ich gerne Stories, die ein bisschen düster sind, nicht so heile Welt Stories, eher dystopisch. Solche Geschichten machen viel Spaß aufzunehmen, wenn man den bösen Draco sprechen darf oder eine Hermine, die raucht, was man sich gar nicht vorstellen kann. Einfach solche Sachen, die neu sind und nicht so stereotyp. Es soll nicht langweilig sein.

Ak[due]ll: Du hast erzählt, dass du auch für andere Geschichten sprichst. Arbeitest du bei deinen Videos mit Synchronsprecher:innen zusammen?

BandeleArt: Mittlerweile ja. Am Anfang war das Ganze ein Experiment für mich, ob die Videos überhaupt Erfolg haben werden. Ich wusste gar nicht, wie man andere Leute ansprechen könnte. Dann bin ich auf einen Discord Channel von Harry Potter Fans gestoßen, „Hexenzirkel“ hieß der. Da habe ich gesehen, dass Leute Sprecher:innen suchen. Dadurch habe  ich Julian Richter gefunden, der mit mir in einigen Folgen spricht. Inzwischen ist daraus eine gute Freundschaft entstanden. Er ist mein persönlicher Promi gewesen, der Draco-Sprecher schlechthin. Dann habe ich ihn selber kennengelernt und plötzlich konnte er bei meinem Channel mitmachen. Das war, als würde Brad Pitt vor meiner Tür stehen.

Ak[due]ll: Verdienst du mit den Videos auch Geld?

BandeleArt: Nein, es ist nur ein Hobby. Ich habe mir bewusst gesagt, ich möchte keine Werbungen auf die Videos legen, weil mich das damals so genervt hat. Ich möchte kein Geld damit verdienen. Ich möchte Menschen die Geschichten hergeben, die ich machen möchte. Alle, die dabei sein möchten, haben dann auch keine Werbung von mir. Ich weiß nicht, ob YouTube Werbung schaltet, aber bis jetzt habe ich noch nichts gesehen. Es gibt drei Personen, die mir über die Online-Plattformen Tipeee und Patreon Geld spenden, aber das sind insgesamt neun Euro im Monat.

Ak[due]ll: Wie viel Zeit brauchst du in etwa für eine Folge?

BandeleArt: Es kommt darauf an, wie viele Wörter die Geschichte hat. Für 1000 Wörter brauche ich etwa 10 Minuten. Da ich sehr viele Sprechfehler mache, muss ich Sachen auch schneiden, aber das geht mittlerweile schnell. Früher brauchte ich sehr lange, aber ich habe ein paar Tricks herausgefunden. Insgesamt brauche ich 45 Minuten für eine Folge. Anderthalb Jahre lang habe ich jeden Tag Videos gepostet. Gerade mache ich aber eine Pause, weil ich schwanger bin. Mein Ziel ist es, wieder zweimal in der Woche hochzuladen, aber mein Fokus ist natürlich mein Kind, das hat Vorrang. Deshalb weiß ich nicht, wann ich wieder regelmäßig hochladen kann.

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Ak[due]ll: Es gibt auch erotische Fanfiction, liest du sowas auch vor oder ist dir das unangenehm?

BandeleArt: Die lese ich sehr gerne. Gleichgeschlechtliche nicht so viel, weil Drarry mir nicht zusagt. Ich fühle es nicht, dass Harry und Draco zusammen sind. Was ich gerne lesen würde, wäre Ginny/Hermine Fanfiction, aber ich habe noch keine gefunden, die mich angesprochen hat, außer einer und die war schon vertont. Die Erotischen finde ich sehr cool zum Lesen, ich möchte kein Kinderkanal sein. Das finde ich immer sehr spannend. Auch, wie ich mich da entwickle, allgemein beim Vorlesen. Da sind solche Szenen dann doch sehr mutig, finde ich. Ich kann mich gut hineinversetzen in solche Szenen. (lacht)

Ak[due]ll: Wissen Leute in deinem Umfeld von deinem YT Channel?

BandeleArt: Ja, die Leute wissen, was ich mache. Sie hören es zwar nicht, weil viele sagen, sie können keine Fanfiction hören über Personen, die im Buch nicht zusammen sind. Dramione geht für sie also gar nicht. Die Älteren sind eh nicht so auf YouTube oder Spotify. Die Jüngeren hören die Ships nicht oder sie sagen, die Bücher reichen vollkommen, da muss ich gar nicht weitersuchen.

Ak[due]ll: Wie würdest du die Fanfiction Community beschreiben?

BandeleArt: Letzten Sommer war ich beim Elbenwald Festival [Anm.d.Red.: Festival, das Musik und Fantasy Convention vereint]. Es war mein erstes Festival und ich habe viele bekannte Leute aus der Szene und Fans von Julian getroffen. Ich habe eine Person getroffen, die ich von Instagram kannte und dann zum ersten Mal persönlich getroffen habe. Man merkt dann, wie die Leute sind und wie sie wirklich aussehen ohne Filter. Ich finde die Community mega lieb. Auch jetzt, wo ich die Pause gemacht habe, sind sie immer noch treu. Manchmal fragen Leute, warum ich nicht mehr aufnehme, sie sind zum Teil auch sehr besorgt um mich. Eine hat von Anfang an bei jedem Kapitel kommentiert und ich kenne sie mittlerweile auch. Nicht gut, aber ich erkenne ihren Namen und wenn sie mir schreibt, weiß ich „Ach, das bist du.“ Das ist sehr schön, wenn man bei den Leuten sein kann, obwohl man sie eigentlich gar nicht kennt.

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