KULTUR
Im Kino applaudieren und über das soeben Gesehene diskutieren – klingt erstmal fremd, doch genau das bietet die Veranstaltungsreihe „CineScience – Angst + Film“ des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI) dem Publikum. Zusammen mit einer Referentin des KWI, Martina Franzen, ging es im Filmstudio Glückauf in Essen-Rüttenscheid um das Thema Angst und Digitalisierung in der Serie „Black Mirror“.
„Das Thema Angst hat unendlich viele Facetten“, leitet Martina Franzen den Abend ein. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des KWI und als Soziologin auf Digitalisierung und dessen gesellschaftliche und soziale Folgen spezialisiert. „Wir kennen die Angst um andere, die Angst um sich selbst, vor anderen oder vor sich selbst. Die Angst, die einen immer wieder einholt, im Falle von Phobien oder Traumata, die Angst vor der Angst oder vor der Zukunft. Heute geht es um die durchgreifende Digitalisierung“, so Franzen. Und genau das beleuchtet die Serie Black Mirror von Charlie Brooker, die 2011 gestartet ist und in England produziert wurde. Black Mirror macht Angst vor der digitalisierten Gesellschaft. Doch ist diese Angst berechtigt?
Die Digitalisierung greift heute bereits in alle Lebensbereiche ein. Sie begleitet uns nicht nur alltäglich mit unserem Smartphone, sondern auch in der Politik. „Ich habe immer noch den Wahlkampfslogan der FDP aus dem vorletzten Bundestagswahlkampf im Ohr“, schmunzelt Franzen. „Digital first, Bedenken second.“ Inwiefern gesellschaftliche Bedenken nachrangig oder doch lieber vorrangig sein sollten, will Franzen diskutieren. In jeder Folge Black Mirror spiegelt sich eine Dystopie der digitalen Gesellschaft. „Das Schockierende ist, dass im Gegensatz zum Science-Fiction Genre im Allgemeinen eine gewisse Gegenwartsnähe vorhanden ist“, erklärt die Soziologin. Viele der gezeigten Technologien seien uns vertraut, weil sie bereits vorhanden sind oder sich in der Entwicklungsphase befinden. So erscheinen uns die Folgen als Vorboten einer Gesellschaft, die noch auf uns zukommen wird.
Kriegsroboter und biologische Optimierung: Sci-Fi oder Realität?
Ein prägnantes Beispiel ist die Episode Metallkopf (original: Metalhead), in der es um Roboterhunde im Kriegseinsatz geht (Staffel 4). Im Fokus steht der Überlebenskampf zwischen Mensch und Maschine, als die Protagonistin Bella von einem autonom handelnden Killer-Roboterhund verfolgt wird. „Die gesamte Szenerie in einer postapokalyptischen Welt scheint sehr weit weg, doch die Technologie ist zum Greifen nah“, so Franzen. Im Oktober hat die US-Roboterfirma Ghost Robotics einen Kampfroboterhund namens Spur auf der US-Waffenmesse AUSA vorgestellt. Mit Scharfschützengewehr und einer Vielzahl an Sensoren ausgestattet soll der Roboterhund auch autonom und nicht mehr nur menschengesteuert handeln. In einem Interview mit der Independent führt der Produzent der Serie Charlie Brooker aus: „Unsere Geschichten sind keine Warnungen. Der technologische Fortschritt ist unvermeidlich.“
Im Filmstudio Glückauf wird ein Blick in die Folge Arkangel unter Regie von Jodie Foster geworfen (Staffel 4). Marie ist alleinerziehende Mutter ihrer Tochter Sarah. Sie versucht sie von allen Gefahren abzuschirmen und nimmt dankbar an einem Freiversuch des Unternehmens Arkangel teil, das Sarah ein Implantat zur Kontrolle in allen Lebensbereichen einsetzt. Die Technik funktioniert wie eine Droge. Marie kann nicht aufhören, ihre Tochter zu kontrollieren. „Stichwort Helikopter-Eltern“, wirft Franzen ein. Ein Begriff, mit dem man überfürsorgliche Eltern beschreibt. „Die Ortungsfunktion des Smartphones ist auch in der Realität eine Kontrollfunktion, die kaum verurteilt wird. Wo ist der Kipppunkt? Wann sind Überwachungstechnologien in der Sorge um Schutzbefohlene legitim?“, fragt die Soziologin. Auch hier sei die Idee des Human Enhancement, die biologischen Eigenschaften des Menschen mit technischen Verfahren zu optimieren, nur noch eine Frage der Zeit.
Müssen wir Angst haben vor einer totalitären Optimierungsgesellschaft oder bietet die Digitalisierung hauptsächlich einen positiven Fortschritt? Eine Frau aus dem Publikum greift die Debatte um den gläsernen Menschen auf: „Durch die stetige Kontrolle durch digitale Mittel haben wir bald kein Recht mehr auf Privatsphäre.” Eine Gegenstimme unter den Zuschauer:innen spricht die Chancen an, die wir mit biomedizinischen Technologien bereits erreicht haben: „Es gibt Roboter-Handprothesen, die durch das Gehirn gesteuert werden und den Menschen wieder jeden einzelnen Finger spüren lassen.” Es geht um eine balancierte Sichtweise auf die Digitalisierung, wie Franzen abschließt: „Wir müssen die düsteren Visionen mit den positiven Möglichkeiten stärker verkoppeln.“
Am 23. November geht es im Filmstudio Glückauf in eine weitere Diskussionsrunde zum Thema Angst und Sound.