GESELLSCHAFT
Geld leihen ist unter Freund:innen oft kein Problem. Konzertkarten vorstrecken oder den Clubeintritt zahlen, weil eine Person kein Bargeld dabei hat, gehören dazu. An größeren Summen kann eine gute Freundschaft jedoch zerbrechen.
Ich hatte nie ein Problem damit, Freund:innen Geld zu leihen. Als eine Freundin die Kaution für eine Wohnung nicht aufbringen konnte, habe ich ihr das Geld geliehen und sie hat es mir in Raten zurückgezahlt. Wenn wir in der Gruppe ein Geburtstagsgeschenk bestellt haben, habe ich ohne viel nachzudenken das Geld vorgestreckt. Einigen Freund:innen musste ich ein bisschen mehr hinterherrennen als anderen, aber nach ein paar Wochen hatte ich das Geld zurück.
Vor drei Jahren gab es eine Situation, die mich vorsichtiger gemacht hat, Geld zu verleihen. Mit einer Gruppe von Freund:innen aus meinem Erasmussemester sind wir nach Paris gefahren. Zu fünft haben wir ein Airbnb gemietet, die 500 Euro Miete habe ich im Voraus gezahlt. Die meisten aus der Gruppe überweisen mir die geschuldeten 100 Euro schon vor dem Urlaub oder gaben es mir vor Ort in bar zurück. Nur Louis* behauptete, Probleme mit seiner Bankkarte zu haben. Ich dachte mir nichts dabei und genoss den Urlaub. Zurück in Deutschland schickte ich ihm eine Nachricht, um ihn an das Geld zu erinnern. Da die Sache mit seiner Bank noch nicht geklärt war, fragte ich ihn, ob er PayPal habe. Er ignorierte meine Frage. Eine Woche später fragte ich ihn erneut, ob er mir das Geld zukommen lassen könne.
Als er mich wieder ignorierte, schrieb ich folgende Nachricht: „If you don't have all the money right now it's okay, but I kind of need it soon because I'm moving into a new place and need to pay a deposit. Could you send it soon?“ Wieder keine Antwort. Diesmal schrieb ich ihm eine wütende Nachricht. Bis heute habe ich nichts von ihm gehört. Auch die anderen aus der Freund:innengruppe haben seit dem Urlaub vor drei Jahren nichts mehr von ihm gehört. Zunächst machten wir uns Sorgen, dass ihm etwas passiert sei. Etwa ein Jahr nach unserem Urlaub postete er wieder auf Social Media und es schien ihm gut zu gehen.
Was mich an der ganzen Sache am meisten stört, ist nicht das verlorene Geld, sondern die verlorene Freundschaft. Louis war zu einem engen Freund geworden. Wir waren zusammen feiern, haben persönliche Geschichten geteilt und zahlreiche Abenteuer miteinander erlebt. Dass er für 100 Euro die Freundschaft zu mir und der gesamten Gruppe aufgegeben hat, finde ich schade.
*Name geändert.