GESELLSCHAFT
Wir nutzen unsere Hobbys als Ausgleich zum stressigen Job oder Studium. Hier gibt es Pflichten, Abgaben und Verantwortung, doch nimm den Pinsel oder die Hantel in die Hand und die Excel-Tabelle rückt für ein paar Stunden in weite Ferne. Wenn jemand dich auch noch dafür bezahlen möchte, wird ein Traum wahr - oder?
Bei den einen ist es Bouldern, andere verbringen ihre Freizeit mit Töpferei. Ich habe seit Jahren meinen Ausgleich durch Musik gefunden. Für einen kurzen Moment verliere ich mich. Ehe ich mich versehe, sind ein paar Stunden verstrichen und ich habe am Ende etwas geschaffen, was ich mir anhören und meinen Freunden zeigen kann. Das Besondere ist, dass ich es nur für mich tue. Wenn mir nicht danach ist, mache ich eine Woche lang keine Musik und die Welt geht trotzdem nicht unter. Mit der Zeit finde ich Menschen, mit denen ich das zusammen mache und der Spaß vervielfacht sich. Hier gibt es zwar zum ersten Mal jemanden, der etwas von mir erwartet, aber hey – wir machen das alles zum Spaß und wenn ich mal keine Zeit habe, dann ist das voll okay.
Alles nur zum Spaß?
Insgeheim möchte vermutlich jede:r Musiker:in, dass die eigene Arbeit von anderen Menschen gehört und wertgeschätzt wird. Auch wenn man es „nur für sich“ macht, würde sich niemand über ein paar Klicks mehr, Anerkennung und vielleicht sogar etwas Geld beschweren. Zu süß ist die romantisierte Vorstellung des Lebens als Kunstschaffende:r. Andere kreative Köpfe, die man bewundert, kennenzulernen, Fans zu haben und von der Leidenschaft leben zu können, haben einen unwiderstehlichen Anreiz. Am Ende schaffen das die wenigsten, weshalb diese Traumvorstellung genau das bleibt. Doch wie ist es, wenn man sich auf einmal mit dieser Realität konfrontiert sieht und alles genau darauf hinauszulaufen scheint?
An diesem Scheidepunkt finde ich mich gerade wieder. Langsam ergeben sich Möglichkeiten, die mich dieser Vorstellung ein ganzes Stück näherbringen. Doch mit diesen Möglichkeiten zeigt sich die Kehrseite der goldenen Münze. Auf einmal reckt sich ein mir leider allzu bekanntes Gesicht. Bisher kannte ich es nur von der Arbeit oder der Uni: Die Bringschuld. Sobald Menschen bereit sind, Geld für etwas auszugeben, haben sie eine Erwartungshaltung, was das Produkt oder die Frist angeht. Während ich früher das gemacht habe, was mir Spaß gemacht hat, muss ich jetzt schauen, ob der Song ein Hit sein kann. Ungezwungene Abende zwischen Bierchen, Joint und Musik weichen einem Marathon an TikToks für Song-Promotionen. Immer mehr Zeit muss der Musik weichen, ob es Auftritte, Interviews, Videodrehs oder Meetings sind. Hier merke ich, dass es nicht mehr bloß ein Hobby ist. Meetings gibt es bei Hobbys nicht.
Im Endeffekt weiß ich, dass es Meckern auf hohem Niveau ist. Vor einem Jahr hätte ich alles dafür gegeben, in dieser Lage zu sein. Auch jetzt würde ich nicht im Traum daran denken, einen anderen Weg einzuschlagen. Dafür ist bei mir die romantisierte Vorstellung zu tief eingraviert. Doch ich weiß auch, dass die Musik nicht mehr der stressfreie Ausgleich zur Arbeit und zum Studium ist, der sie einmal war. Ich glaube, ich muss ein neues Hobby finden.