GESELLSCHAFT
Hält sich die Bevölkerung an die Vorschriften gegen die Ausbreitung des Coronavirus und bleiben zuhause? Um das besser einschätzen zu können, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) Daten der Telekom bekommen. Es handelt sich um anonymisierte und aggregierte Bewegungsdaten von Handynutzer*innen. Ob weitere große deutsche Mobilfunkanbieter Daten weitergeben, ist nicht bekannt.
„Es handelt sich um bundesweite Daten, die auf Bundesländer und Kreis-Gemeinde-Schlüssel heruntergebrochen werden können“, erklärte ein Sprecher der Deutschen Telekom. Allerdings nicht auf Einzelpersonen und deren konkrete Aufenthaltsorte und Bewegung im Alltag, so versichern die Beteiligten. Da Daten mehrerer Personen aggregiert, also zusammengefasst werden, kann das RKI daraus erstmal nur generelle Bewegungsmuster ganzer Gruppen ablesen. Das betont auch der Bundesdatenschutzbeauftragte: „Aussagen zu Aufenthaltsorten oder Bewegungsspuren einzelner Mobilfunknutzer, also das individuelle Tracking von positiv getesteten Personen, sind ausgeschlossen.“ Am Dienstag, dem 17. März, bekam das RKI fünf Gigabyte der Daten, diese Woche sollen erneut Daten übergeben worden sein.
Auch RKI-Präsident Lothar Wieler versicherte: „Es sind aggregierte, anonymisierte Daten und keine individuellen Daten.“ Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber beruft sich darauf und verwies auf die aktuellen Umstände, wegen derer er die Weitergabe für legitim und datenschutzrechtlich vertretbar hält. Es seien keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich. Es würden mindestens 30 Datensätze zusammengefasst, um eine nachträgliche Re-Personalisierung zu erschweren. Also sollen sie auch nicht, wie es in China praktiziert wird, die Bewegungsprofile von Infizierten nachzeichnen können. Es geht dem RKI um die Frage, ob die Gesellschaft insgesamt weniger mobil ist.
Die New York Times veröffentlichte kürzlich eine Recherche zu solch aggregierten Daten und zeigte, dass allein durch die Aggregierung keine Anonymisierung gegeben ist. Sie kaufte ein großes Datenpaket, ähnlich dem, wie das RKI es nun erhalten hat. Die Times analysierte die Daten und konnte Bewegungsprofile einzelner Personen erstellen – also genau das, was laut Telekom, RKI und dem Bundesdatenschutzbeauftragten bei aggregierten Daten nicht möglich ist.
Es sollen mehr Daten gesammelt werden
„Geraten solche sensiblen Daten in die falschen Hände, dann hätte die Regierung und unsere Gesellschaft nicht nur ein Coronaproblem“, kritisiert zum Beispiel der Blog netzpolitik.org. „Weltweit bauen demokratische Staaten Grundrechte ab, um gegen das Coronavirus vorzugehen.“ Und weiter: „Leichtfertig abgesegnet könnten temporäre Maßnahmen zur Dauereinrichtung werden – und zum Schuss ins eigene Knie.“
Ihr wollt eure Daten nicht abgeben?
Ihr könnt dieser Verwendung eurer Handydaten bei eurem Anbieter widersprechen. Bei der Telekom hier und bei O2 hier.
Dem RKI reichen die Telekom-Daten offenbar nicht. Das Institut arbeite an einer App, um auch personalisierte Handydaten auszuwerten, gab RKI-Chef Wieler bekannt. Wie diese genau funktioniert und wie der Datenschutz gewährleistet werden soll, ist bislang unbekannt.
Am vergangenen Wochenende wurde ein Gesetzesentwurf zum Infektionsschutz von Gesundheitsminister Jens Spahn bekannt, der Handy-Standortdaten gegen Corona einsetzen möchte. Der Vorschlag wurde zurückgezogen – Spahn selbst nannte die Idee einen „massiven Grundrechtseingriff“. Doch ganz von ihr verabschieden konnte er sich offenbar noch nicht. Bei einer Pressekonferenz sagte er diesbezüglich, es brauche eine längere Diskussion über solche Grundsatzfragen und die konkrete Ausgestaltung.