GESELLSCHAFT
Unverhofft zum Lernen in die Bibliothek gegangen, angesprochen, gedatet. So ist es unserer Redakteurin passiert. Im Beziehungsweise lest ihr über die Bib-Romanze.
Es schüttet wie aus Eimern, als ich aus der U-Bahn steige. Der Weg zur roten Bibliothek am Campus Essen ist noch weit - und nicht überdacht. Einen Schirm oder eine Regenjacke habe ich natürlich nicht dabei, Mitte August habe ich nicht mit einem solchen Platzregen gerechnet. Nach zehn Minuten Wartezeit unter einem Vorsprung habe ich keine Geduld mehr, um auf besseres Wetter zu warten. Also entschließe ich mich, bis zur Bib durch den Regen zu sprinten: „So nass werde ich schon nicht werden, wenn ich schnell laufe.“
Falsch gedacht. Durch den Regen gelaufen, flüchte ich mich unter den Vorsprung am Eingang der Bibliothek und stelle mit Schrecken das Ausmaß meiner Entscheidung fest. Meine hellblaue Jeans ist inzwischen dunkelblau, von meinen Haaren tropft das Wasser in mein Gesicht. Ich versuche, mich zu trocknen, bevor ich die Bibliothek betrete, doch es gelingt mir nicht richtig, denn ich sehe nichts. Auf meinen Brillengläsern sind so viele Tropfen, dass ich durch sie nichts mehr erkenne. Verzweifelt bemühe ich mich, meine Brille an meinem ebenfalls nassen Pullover zu trocknen. Im Augenwinkel nehme ich nur wahr, wie sich ein junger Mann neben mich stellt. Ich trete einen Schritt zur Seite, weil ich davon ausgehe, dass er durch die Tür möchte, vor der ich stehe. Ich kümmere mich nicht weiter um ihn und versuche erneut, meine Brille zu säubern.
Plötzlich sehe ich im Augenwinkel, wie mir der junge Mann ein Brillenputztuch hinhält. „Ich glaube, das kannst du gebrauchen“, sagt er. Ich schaue ihn an und nehme es dankend an. Er verwickelt mich in ein Gespräch darüber, was ich studiere und weshalb ich bei einem solchen Wetter in die Bib will. Ich bin erst einmal überfordert, immerhin stehe ich gerade komplett durchnässt vor ihm. Doch er sieht sympathisch aus, also antworte ich ihm und frage auch nach seinem Studiengang. Wir unterhalten uns eine halbe Stunde, bevor wir das Gebäude betreten und sich unsere Wege trennen. Zuvor fragt er mich nach meiner Nummer oder meinem Instagram-Nutzernamen und schlägt eine Verabredung vor. Ich willige ein.
Nach diesem Tag chatteten wir viel und gingen auf Dates. Unerwarteterweise verstanden wir uns prächtig, teilten den gleichen Humor und lachten viel zusammen. Ich hätte an diesem verregneten Tag nicht mit einer solchen Begegnung gerechnet, doch ich bin froh, dass ich nicht zu Hause gelernt habe.