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GESELLSCHAFT

„How To Be That Girl“ – am Arsch!

Das perfekte Frühstück passend zum „That Girl”-Trend - irgendwas mit Avocado.

[Foto: Helena Wagner]

21.10.2022 18:28 - Helena Wagner

Weiße Wohnungen, Milchkaffee in schönen Gläsern und eine reine Haut: Trends wie „How To Be That Girl“ und die „Clean Girl-Aesthetic“ werden in den sozialen Netzwerken immer größer. Die vorgeschobene Absicht ist, Menschen, insbesondere junge Mädchen und Frauen, zu einem selbstbestimmten, gesunden Lebensstil zu motivieren. Warum unsere Redakteurin den Trend alles andere als motivierend findet.

Um zum Club zu gehören, muss man nur ein paar wenige Regeln befolgen. Um 5:00 Uhr aufstehen, zum Frühstück einen grünen Smoothie trinken, Supplements nehmen, eine zehn-schrittige Skincare-Routine befolgen, zum Sport (vorzugsweise Yoga oder Pilates) gehen und Tagebuch führen. Das alles am besten vor 9:00 Uhr morgens, bevor man seinem Job nachgeht. Nach Feierabend wird Bio eingekauft und gesund gekocht, ein Bad genommen, der Diffuser angeschaltet, mindestens zehn Seiten in einem Selfhelp-Buch gelesen und um spätestens 22 Uhr geht es ins Bett. Ganz einfach, oder?

Dieser unrealistische Tagesablauf löst schon beim Lesen Herzrasen aus. Ästhetische Aufnahmen, die zu einer ruhigen, trendenden Musik im Reel-Format zusammengeschnitten oder in YouTube-Videos mit Titeln wie „The Ultimative Guide To: How To Be That Girl“ angepriesen werden. Zu sehen sind meist junge Frauen Anfang 20, die in einer motivierenden Ansprache davon schwärmen, wie diese Rituale sie zu einer selbstbewussteren, mental gesünderen Person gemacht haben, die vor Selbstliebe nur so strotzt und selbstverständlich keine Bindungsprobleme oder Anxiety hat. Das Pendant für männlich gelesene Personen ist der „Alpha-Male“-Trend. Gleiches Prinzip: Es werden Gewohnheiten angepriesen, die zu einem erfolgreichen Leben und einer mentalen Gesundheit aus Stahl verhelfen sollen – vorzugsweise mit einem Touch toxischer Männlichkeit.

Realistischer Alltag? Zu unästhetisch.

Ich habe mir oft die Frage gestellt, warum mich diese Videos so faszinieren. Dieses Gefühl, fremden Menschen dabei zuzusehen, wie sie ihr Leben im Griff haben, gibt mir das Gefühl, dass es gar nicht so schwer ist, es ihnen nachzutun. Das Problem: Die Zielgruppe, die sie mit diesen Videos erreichen und ansprechen möchten, ist für diesen Lebensstil nicht gemacht. Junge Menschen Anfang 20, die studieren, nebenbei arbeiten oder eine Ausbildung machen, haben oft nicht die Ressourcen, um dieses Leben zu führen. Neben der hohen Kosten für die Sport-Kurse und Supplies, die in den Videos gezeigt werden, wird ein Aspekt in den Videos komplett außen vor gelassen: ein realistischer Alltag. Wie ein Haushalt geführt wird, zeigen die Influencer:innen nicht. Wenn doch, wird es auf eine ästhetische Weise dargestellt: Der Tisch wird von einer manikürten Hand abgewischt und anschließend ein Strauß Schnittblumen daraufgestellt. Wie eine Toilette geputzt oder der Boden gewischt wird, wird nicht gezeigt – zu unästhetisch.

Situationen, die man nicht planen kann oder ein Sozialleben kommen ebenfalls nicht vor. So bekommt man beim Konsumieren des Contents das Gefühl, dass man seine Prioritäten nicht richtig setzt. „Würde ich mir mehr Zeit einplanen, all diese vermeintlich gesunden Dinge zu tun, würde es mir besser gehen“, denke ich mir oft. Dass ich aber kein Typ fürs frühe Aufstehen und Selfhelp-Bücher bin, vergesse ich. Es würde mir keine Freude bereiten, mein Leben so zu leben. Ich bleibe auch unter der Woche abends länger auf und gehe in Bars oder schwänze das Fitnessstudio. Macht mich das zu einem unglücklicheren Menschen, der sein Leben nicht im Griff hat? Die Antwort darauf: ein klares Nein. 

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