GESELLSCHAFT
Von klein auf bekommen Frauen beigebracht, dass andere Frauen eine Konkurrenz für sie sind: im Job, im Mutter sein, im Dating. Dahinter steckt ein System, das internalisierte Misogynie genannt wird. Dabei sollten Frauen sich lieber gegenseitig unterstützen.
Eine Kolumne von Lena Janßen
Bei einer Verabredung hält mir eine Freundin ihr Handy unter die Nase: „Schau mal, die Neue von deinem Ex. Du bist viel hübscher.” Ich nehme das Handy und schaue mir das Foto an. Ich sehe eine attraktive Frau, die mit der Schulter an einer Hauswand lehnt und lacht. Gerade als ich etwas auf die Aussage meiner Freundin erwidern möchte, fällt mir auf, dass es sich nicht richtig anfühlt, jetzt etwas Gemeines über das Foto zu sagen. Was habe ich davon, schlecht über die neue Freundin meines Ex-Freundes zu sprechen? Warum kommt mir sofort in den Sinn, sie zu kritisieren, wenn ich nur ein Foto von ihr kenne, auf dem sie toll aussieht?
Immer häufiger fällt mir auf, dass ich in meinen Gedanken und mit meinen Worten andere Frauen niedermache. Als ich anfange, dieses Verhalten an mir zu hinterfragen, läuft mir der Begriff „internalisierte Misogynie” über den Weg. Per Definition bedeutet der Begriff die Abwertung von Frauen und Weiblichkeit. Jeder Mensch verinnerlicht im Laufe des Lebens schädliche Rollenbilder, die Teil des Patriarchats sind. Frauen selbst bleiben davon nicht verschont, auch uns wird ein frauenfeindliches Weltbild eingeprägt.
„Du bist anders als andere Frauen”
Mir wird klar, wieviel Zeit ich in meinem Leben damit verbracht habe, mich an und mit anderen Frauen zu messen. Ich wollte die mit dem besseren Outfit sein, die Klügere, die Witzigere. Oder ich wertete mich selbst gegenüber anderen Frauen ab: Ich bin nicht so schön, schlau oder cool. Ein klassischer Satz, den Männer gerne nutzen, ist: „Du bist anders als andere Frauen.” Und ja, ich gebe zu: Ich habe mich durch diesen Satz besonders gefühlt.
Heute ist das nicht mehr so. Ich möchte mich nicht in ein positiveres Licht rücken und andere Frauen damit abwerten. Wir wachsen in einer Welt auf, die uns reihenweise abwertende Frauenbilder vor die Nase setzt: die Tussi, das Pick-Me-Girl, die Süße, das hässliche Entlein und so weiter. Das kann zu dem Wunsch führen, sich nicht in eine dieser Schubladen stecken lassen und sich abgrenzen zu wollen. Aber ist das nicht das Gute am Feminismus? Frauen können sein, wer sie sein möchten.
Wenn ich mit meinem Handeln andere Frauen abwerte, kann ich keine gute Feministin sein. Das patriarchale System hält uns klein und das wird so bleiben, wenn wir uns zusätzlich untereinander klein halten. Das sexistische gesellschaftliche Bild der Frau prägt nicht nur Männer. Wie könnte es auch anders sein, wenn es kein positives, vielschichtiges und bestärkendes Bild des weiblichen Geschlechts gibt?
Ich habe viel über die Strukturen hinter dem System Misogynie gelesen und mich mit weiblicher Solidarität beschäftigt. Ich habe mich mit Vielfältigkeit und Weiblichkeit auseinandergesetzt. Es gibt nicht die eine richtige Art und Weise, eine Frau zu sein. Frau sein und was das bedeutet, muss jede für sich selbst definieren. Dabei können und sollten wir uns unterstützen. Frauen können voneinander profitieren, voneinander lernen und sollten an einem Strang ziehen. Am Ende des Tages macht uns das stärker im Kampf gegen das Patriarchat, anstatt uns gegenseitig zu diskriminieren.