GESELLSCHAFT
Der Lebensmittelkonzern Knorr kündigte vor kurzem an, seine „Zigeunersoße“ in „Paprikasoße Ungarischer Art“ umzubenennen. Damit reagiert das Unternehmen auch auf aktuelle Forderungen, rassistische Produktbeschreibungen zu ändern. Auch ein Artikel von der Rheinischen Post vom 23. August beschäftigt sich mit der Thematik. Wen die Düsseldorfer Tageszeitung allerdings als Opfer in der Debatte identifiziert, findet unsere Redakteurin unbegreiflich.
Ein Kommentar von Julia Segantini
„In ein paar Wochen finden Sie [die ,Zigeunersauce‘] als ,Paprikasauce Ungarische Art‘ im Regal“, versprach der Mutterkonzern von Knorr, Unilever, in der Bild am Sonntag. „Da der Begriff ,Zigeunersauce‘ negativ interpretiert werden kann, haben wir entschieden, unserer Knorr-Sauce einen neuen Namen zu geben.“ Darüber, dass einige Marken und Imbissbudenbersitzer:innen ihre Soße aktuell umbenennen, schrieb auch die Rheinische Post. „Doch stört sich tatsächlich im Leben außerhalb des Internets jemand an dem Begriff?“ fragt die Düsseldorfer Tageszeitung. „Verständnis haben Betroffene dafür nicht“, beantwortet der Autor die Frage schon in der Einleitung selbst. Als Opfer der Debatte identifiziert er aber nicht Sinti:zze und Rom:nja, sondern die Imbissbudenbesitzer:innen. Laut den interviewten „Betroffenen“ störe sich niemand an dem Namen. Mit der gleichen Logik wird sich auch über andere Debatten um „political correctness“ lustig gemacht.
Die Minderheit empfindet den Begriff als diskriminierend.
Ja, die armen Imbissbudenbesitzer:innen. Womit die sich herumschlagen müssen! Auf der Speisekarte „Paprikasauce“ schreiben, das kann man nun wirklich nicht verlangen. Mal aus der gastronomischen Perspektive: Gehört ein respektvoller Umgang mit den Gästen nicht zur Gastronomie dazu? Noch viel wichtiger ist die historisch-politische Perspektive.
„Zigeuner“ ist eine Fremdbezeichnung der Mehrheitsgesellschaft für eine Minderheit, die seit jeher mit Vorurteilen und Diskriminierung zu kämpfen hat. Der Begriff transportiert das Klischee einer nicht-sesshaften und unzivilisierten Lebensweise, die zugleich herabgesetzt und romantisiert wird. Diese Stereotype existieren seit Jahrhunderten und sind tief in die europäischen Gesellschaften eingebrannt. Eine neue Dimension erreichte der Antiziganismus (rassistische Stigmatisierung von als „Zigeuner“ Bezeichneten) im Nationalsozialismus. Eine halbe Million Sinti:zze und Rom:nja wurden als „Zigeuner“ entrechtet, verfolgt und systematisch vernichtet. Die Minderheit empfindet den Begriff deshalb als diskriminierend. Aber ja, die wahren Opfer sind natürlich die Imbissbudenbesitzer:innen.