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GESELLSCHAFT

Corona-Krise: Finanzielle Ungewissheit für Tätowiererin

Im Zuge der Corona-Pandemie mussten die Tattoostudios schließen.
[Symbolbild: pixabay]
07.12.2020 15:46 - David Peters

Besonders Selbstständige traf die Corona-Pandemie hart. Gerade in der Kunst- und Kreativbranche sind viele zum zweiten Mal in diesem Jahr arbeitslos. Auch für die Dortmunder Tätowiererin Jessie Vandalism ist die Zukunft ungewiss.

Über die wirtschaftlichen Nöte von Gastronom:innen wird im Zuge der Corona-Pandemie viel gesprochen. Andere Branchen sind nicht so stark in der Öffentlichkeit vertreten. Dazu gehören auch Tätowierer:innen. Seit dem sogenannten „Lockdown Light“ sind die Tattoostudios in Nordrhein-Westfalen geschlossen und die Tätowierer:innen arbeitslos. Eine von ihnen ist Jessie Vandalism. Die Dortmunderin gehört zum Team des Studios „Heavenly Pain“ in Lünen und tätowiert seit mehr als neun Jahren. Schon die erste Schließung der Studios Mitte März hat sie schwer getroffen: „Das war erstmal natürlich ein komisches Gefühl. Wir dachten, die Schließung wird nur zwei, drei Wochen dauern. Im Endeffekt saßen wir dann zweieinhalb Monate zuhause.“ Als selbstständige Tätowiererin brach in der Zeit ihr komplettes Einkommen weg.

„Natürlich war das wirtschaftlich scheiße, aber für mich war auch klar, dass die Eindämmung der Pandemie oberste Priorität hat“, stellt Jessie klar. Überraschend sei die Schließung der Tattoostudios aber nicht gewesen: „Wir haben schon im März damit gerechnet, jeden Moment den Laden zumachen zu müssen.“ Bereits im Januar und Februar haben sie und ihre Kolleg:innen die Auswirkung der nahenden Pandemie zu spüren bekommen. „Wir hatten schon im Januar und Februar Probleme die Mengen an Desinfektionsmittel und Handschuhen zu bestellen, die wir brauchten.“

Um trotzdem über die Runden zu kommen, beantragte sie die Soforthilfe für Selbstständige. Dies habe schnell und unbürokratisch funktioniert, berichtet die Dortmunderin. Sorgenfrei sei sie dadurch aber nicht gewesen, die Soforthilfe muss sie größtenteils wieder zurückzahlen.

Arbeiten mit Maske und Faceshield

Die zweieinhalb Monate der ersten Schließung seien die bisher längste Zeit gewesen, in der Jessie nicht tätowiert hat. Als das Tattoostudio im Mai wieder öffnen durfte, brauchte sie ein paar Tage, um sich zu akklimatisieren. „Ich habe mich dann erstmal selbst tätowiert“, erzählt sie lachend. Trotz strengerer Auflagen und einem vorgeschriebenen Hygienekonzept, habe sich für sie nicht viel geändert. Sie habe ohnehin schon „gefühlt wie im OP“ und mit Maske gearbeitet, so die Tätowiererin. „Wenn man sich einmal vor Augen führt, was so alles in der Luft rumwirbelt, dann findet man die Masken eh nicht mehr schlimm“, fügt sie hinzu. Zusätzlich zur Maske musste Jessie während des Tätowierens ein Faceshield tragen: „Da kam ich mir ein bisschen vor wie ein Robocop.“

 

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„Wir als Tätowierer:innen sind aber dennoch relevant, weil wir ja auch überleben müssen“, so Jessie Vandalism [Foto: David Peters]

 

Auch die Umsetzung der weiteren Auflagen, wie zum Beispiel Listen zur Kontaktnachverfolgung oder dass auch Kund:innen Masken tragen mussten und keine Begleitpersonen mitbringen durften, sei problemlos gewesen. „Die Leute haben sich super dran gehalten und keiner hat rumgemeckert“, lobt Jessie ihre Kund:innen. Einige hatten ihre Termine allerdings aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt, doch dafür hatte die Dortmunderin Verständnis. Obwohl ihre Einnahmen in der Zeit etwas geringer ausgefallen sind als sonst, hat sie ein wenig Geld zur Seite gelegt. Möglich sei dies aber auch gewesen, weil sie ihre Ausgaben der Situation angepasst habe, erzählt Jessie.

Ungewisse Zukunft

Die erneute Schließung der Studios im November kam für sie nicht überraschend: „Ich dachte sogar, dass das noch früher passiert.“ Dennoch hadert die Tätowiererin ein wenig mit der Entscheidung. „Wir sind ein Geschäftszweig, der nicht systemrelevant ist. Das ist ein Luxusgut. Wir als Tätowierer:innen sind aber dennoch relevant, weil wir ja auch überleben müssen“, führt Jessie aus. „Im Sinne der Eindämmung der Pandemie ist es völlig nachvollziehbar. Es wird aber schwierig, wenn in anderen Berufsgruppen eine vermeintlich höhere Relevanz gesehen wird.“ Im Friseursalon sei schließlich auch kein Abstand zu gewährleisten. Als Tätowiererin habe sie ohnehin nur wenige Kund:innen am Tag und achte stark auf Hygiene. „Wir haben krasse Hygienekonzepte und krasse Auflagen, es wäre also möglich, dass wir weiterarbeiten können.“

Wie es finanziell für sie weitergeht, kann Jessie noch nicht abschätzen. Ausgaben wie Versicherungen und Miete muss sie auch zahlen, wenn sie nicht arbeitet. Sie will jetzt versuchen mit Prints ihrer Zeichnungen zumindest einen kleinen Teil der Verluste abzufangen und damit über die Runden zu kommen: „Wenn es nicht anders geht, dann muss ich mich arbeitslos melden, aber das möchte ich eigentlich nicht.“  Ob neue Soforthilfen auf Dauer die richtige Lösung sind, bezweifelt die Dortmunderin: „Die Hilfen sind schön und gut, aber irgendwann muss man das auch zurückzahlen.“ Sie wünscht sich, dass bei den Selbstständigen darauf geachtet wird, kulant zu sein, egal ob bei der Rückzahlung der Soforthilfen oder bei der Steuer. Besonders für ihren Berufszweig erhofft sie sich aber  mehr Berücksichtigung in den Debatten über die finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie.

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