GESELLSCHAFT
Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) meldete für das Jahr 2019 mehr als 1.200 antisemitische Vorfälle in Bayern, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein.
Vergangene Woche stellte der Bundesverband RIAS seinen Jahresbericht 2019 vor. 1.253 antisemitische Vorfälle wurden erfasst. Diese reichen von Schmierereien und verletzenden Bemerkungen bis hin zu einem versuchten Angriff auf eine Synagoge in Berlin. „Wir erhoffen uns von diesem Bericht auch Impulse für den Aufbau weiterer zivilgesellschaftlicher Meldestellen, die dringend notwendig sind, um den Betroffenen vor Ort Gehör zu schenken“, so Benjamin Steinitz, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands. Besonders häufig tritt verletzendes Verhalten, wie Beleidigungen, antisemitische Kommentare oder antisemitische Schmierereien an nicht-jüdischem Eigentum, auf. Die Meldestellen erfassen diese Vorfälle, die auch über ein Online-Portal gemeldet werden können. Die Meldungen werden von den Meldestellen verifiziert, systematisiert und ausgewertet.
Erst seit 2018 werden in vier Bundesländern antisemitische Vorfälle von Meldestellen erfasst. Bisher gibt es diese nur in Bayern, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein. Dabei arbeiten alle Stellen mit einer einheitlichen Definition von Antisemitismus, die an die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance anschließt.
Antisemitismusdefiniton:
„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“
International Holocaust Remembrance Alliance
Verletzendes Verhalten oder andere niedrigschwellige Formen des Antisemitismus sind besonders stark verbreitet. Verharmlosen sollte man das aber nicht, so der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein: „Es gibt keinen harmlosen Antisemitismus. Darum ist es so wichtig, die bundesweite Erfassung antisemitischer Vorfälle auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze voranzubringen.“ Unter seiner Schirmherrschaft ist der Bundesverband RIAS ins Leben gerufen worden. Klein wünscht sich nun, dass möglichst schnell in allen Bundesländern Meldestellen geschaffen werden.
„Wir dürfen uns an Antisemitismus niemals gewöhnen“
Auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden lobt die Arbeit des Verbandes, der damit einen wichtigen Beitrag leiste, um Antisemitismus sichtbar zu machen. Es brauche ein umfassendes Bild des Judenhasses, um ihn gezielt bekämpfen zu können. Schuster appelliert deshalb, jeden antisemitischen Vorfall zu melden: „Jeder Fall von Antisemitismus – möge er noch so unbedeutend erscheinen – sollte dokumentiert werden. Jeder gemeldete Vorfall ist ein weiteres Puzzleteil, das das Bild vervollständigt. Wir dürfen uns an Antisemitismus niemals gewöhnen.“
Eine politische Verortung der Vorfälle ist nicht einfach. Bei fast der Hälfte der Vorfälle sei ein politischer Hintergrund nicht eindeutig zu bestimmen gewesen, so der Bundesverband RIAS. Dies sei „ein Hinweis darauf, dass Antisemitismus auch in nicht explizit politischen Milieus weit verbreitet ist und einzelne Stereotype von unterschiedlichen politischen Spektren verwendet werden.“