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CAMPUS

Studieren mit 45: Ein etwas anderes Studium

Nicole studierte schon einmal mit Anfang 20. [Foto: privat]

26.05.2022 12:12 - Helena Wagner

Nach dem Abitur oder der ersten Ausbildung an der Uni einschreiben - die meisten Studierenden beginnen ihr Studium in der ersten Hälfte ihrer 20er. Nicole Stryewski ist 45 Jahre alt und studiert im 6. Semester Kunst im Einzelfach auf Lehramt. Was bewegt einen Menschen dazu, in dem Alter nochmal die Karriere zu wechseln und zu studieren? Nicole hat uns von ihren Beweggründen und den damit verbundenen Herausforderungen erzählt.

Die Idee, Lehrerin zu werden, kam Nicole bereits während ihres ersten Studiums. In Gelsenkirchen studierte sie zu Beginn ihrer 20er Journalismus und Technikkommunikation, daraufhin arbeitete sie im Marketingbereich: „Eigentlich hätte ich damals schon auf Lehramt wechseln sollen. Als ich meinen jetzigen Mann während des Studiums kennenlernte, der zu der Zeit Lehramt studierte, fand ich das total interessant und habe mich geärgert, dass ich nicht eher darauf gekommen bin.” Trotzdem ist sie erst einmal bei ihrer Berufswahl geblieben und schloss ihr erstes Studium ab. „Als meine Tochter dann auf die Welt kam, ging es in meiner beruflichen Karriere irgendwie nicht weiter. Ich arbeitete Teilzeit, bis mein Mann mir vorschlug, es doch mal als Vertretungslehrkraft zu versuchen. Tatsächlich bekam ich die Stelle und so habe ich ganz ad hoc meinen alten Beruf gekündigt“, erzählt sie.

Das Jahr als Quereinsteigerin machte Nicole so viel Spaß, dass sie nach Auslaufen des Vertrags handeln musste: „Nach den Sommerferien musste ich mich entweder arbeitslos melden oder wieder in der freien Wirtschaft arbeiten. Letzteres war für mich nach der Erfahrung im Berufskolleg keine Option, also lag es auf der Hand: Ich fange nochmal an zu studieren. Für mich war es ein einfaches Rechenexempel: Bis zur Rente arbeite ich nach dem Studium noch immer 20 Jahre. Warum also nicht in einem Beruf, den ich wirklich machen will?“ Dann kam die Frage: Was will ich lehren, wo sind meine Chancen gut? Nicole entschied sich für Lehramt für Gymnasium und Gesamtschule im Bereich Kunst: „Berufskolleg hätte mir vom Alter etwas mehr zugesagt, jedoch stehen mir bei meiner jetzigen Wahl mehrere Türen offen.“

Wie bekommt man Studium und Familie unter einen Hut?

Doch wie finanziert sich ein Studium, wenn man aufgrund des Alters kein Bafög mehr beziehen kann und man eine Familie hat, die man neben dem Studium versorgen muss? „Ich habe einen Nebenjob, um die laufenden Kosten zu decken, für den Rest kommt mein Mann auf. Wäre es nicht möglich, dass er den Großteil unserer Lebensunterhaltskosten übernimmt, müsste ich einen Kredit aufnehmen. Ich glaube, dass die finanziellen Umstände ein Studium verlängern können, aber auch in meinem Alter keineswegs verhindern müssen.“

Nicoles Tochter ist jetzt neun Jahre alt. Wenn Nicole mit dem Studium fertig wird, ist ihre Tochter im Alter ihrer Schüler:innen. Ihre Tochter hat sich inzwischen daran gewöhnt, dass ihre Mama einen etwas anderen Werdegang beschreitet als die Mütter ihrer Mitschüler:innen: „Am Anfang stellte meine Tochter die Frage: ‚Was erzähle ich dann in der Schule, wenn der Papa Lehrer ist und die Mama noch studiert?‘ Doch inzwischen ist das eher zum Running Gag in der Familie geworden. Meine Tochter ist für ihr Alter sehr selbstständig und das hilft natürlich enorm in der Alltagsplanung, aber schön ist es nicht, sie durch das Präsenzsemester jetzt weniger zu sehen“, sagt Nicole.

„Für persönliche Freizeit ist nicht viel Zeit.“

Das Präsenzsemester erschwert das Studieren mit Kind, besonders, weil Nicole eine Stunde zwischen Uni und ihrem Wohnort pendeln muss: „Es ist alles eine Frage der Organisation, die aber für jeden Beteiligten klar sein muss. Das ist die Herausforderung. Solche Dinge, wie, dass sie morgens den Schlüssel mitnimmt und das Essen für sie fertig ist, das sind alles so Kleinigkeiten, an die man denken muss. Ohne Terminkalender und Erinnerungsliste geht bei uns gar nichts.“ Erschwert wird das Ganze von den verschiedenen Rhythmen des Schul- und Semesterplans: „Die besonderen Herausforderungen hängen größtenteils mit dem Alltagsrhythmus, der sehr eng an Schul- und Semesterbeginn geknüpft ist, zusammen. Ein Schulkind mit dem eigenen Studienplan zu synchronisieren ist schwer. Für persönliche Freizeit ist nicht viel Zeit. Nur zum Tatort am Sonntagabend gehört das Sofa mir ganz allein“, erzählt Nicole mit einem Lächeln auf den Lippen. Für die Univorbereitungen habe sie meistens erst abends Zeit, wenn alle im Bett sind.

„Zeit ist kostbar(er) im Alter.“

Für ein Studileben, wie es jüngere Studierende gewöhnt sind, hat sie keine Zeit: „Ich habe sowieso wenig Zeit, um am Campus abzuhängen und den Kontakt mit den Kommiliton:innen zu pflegen. Der soziale Kontakt beschränkt sich auf die Interaktionen zwischen den Veranstaltungen, obwohl ich manchmal schon gerne mehr mit ihnen quatschen würde.“ Auf die Frage, was ihr beim Studium im Alter leichter fällt, antwortet Nicole: „Das Alter macht mir die Organisation leichter. In meinem früheren Studium habe ich mich, wie viele junge Studierende, damit schwer getan, früh genug mit allem anzufangen und organisiert zu bleiben. Das gelingt mir heute besser.“

Eine ganze Generation Unterschied

Der Unterschied zwischen den jungen Menschen am Campus merkt sie dennoch manchmal: „Wenn ich in der Cafeteria sitze und junge Studierende nebenan Sauflieder singen oder sich lauthals darüber unterhalten, wie wenig sie für die Uni machen, darüber muss ich schon manchmal schmunzeln. Solche Situationen erinnern mich daran, dass manche Studierenden meine Kinder sein könnten.“ Alt fühle sich Nicole jedoch nicht zwischen so vielen jungen Menschen.

Doch Nicole merkt auch, was sie sich von der jüngeren Generation gerne abschauen würde: „Dieses bewusste Leben, vegane Ernährung, Gendern, das alles sind Dinge, die während meinem ersten Studium kein Thema waren. Davon würde ich mir jetzt gerne eine Scheibe abschneiden. Daran merke ich, dass da doch eine ganze Generation zwischen liegt, die ganz andere Werte entwickelt als wir damals“, stellt Nicole fest.

In voraussichtlich 2 Jahren ist Nicole fertig mit ihrem Studium. Ihr Mann, ihre Familie und ihr Umfeld haben sie immer bei ihrer Entscheidung unterstützt und so ist sich Nicole sicher, für sich selbst damit den richtigen Weg eingeschlagen zu haben: „Das möchte ich allen jüngeren Menschen mit auf den Weg geben: Ihr müsst euch jetzt nicht festlegen, was ihr ein Leben lang machen wollt. Zeit ist kostbar(er) im Alter, aber zögert niemals, neue Wege einzuschlagen, wenn euch die alten langweilen.“

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