CAMPUS
Die Bibliothek – Ein Ort, an dem Studierende viel Zeit verbringen. So habe ich es mir zumindest vorgestellt. Mein Studium habe ich bisher nur in der Online-Lehre kennenlernen dürfen, am Campus war ich bis auf einen Spaziergang noch nicht. Als im Mai die Bibliotheken wieder öffneten und man Arbeitsplätze buchen konnte, traute ich mich und habe mir für einen Nachmittag einen Arbeitsplatz gebucht. Ein Erfahrungsbericht.
Ein Campuserlebnis von Helena Wagner
Wo ich die Bibliothek für Geisteswissenschaften finde, weiß ich: immer den roten Türmen auf dem Essener Campus folgen. Drinnen angekommen gehe ich durch einen Vorraum zur Anmeldung und schon tauchen Fragezeichen in meinem Kopf auf. Muss ich mich anmelden? Muss ich meine Tasche abgeben oder durchsuchen lassen? Ich frage den jungen Mann am Schalter, der mir nett erklärt, dass ich am Eingang meinen Studiausweis vorzeige und mich danach frei im Gebäude bewegen kann. Logisch.
Nächster Schritt: Meinen Arbeitsplatz suchen und finden. Im zweiten Obergeschoss angekommen das nächste Fragezeichen in meinem Kopf: Wo sind die Sitzplätze? Also nochmal der Weg zum Schalter, an dem mir wieder freundlich erklärt wird, wo ich meinen Platz finde. Das mich der nette Herr hinter dem Schalter überhaupt verstanden hat, so leise wie ich geflüstert habe – schließlich bin ich in einer Bibliothek – ist ein Wunder. Die Sitzplatz-Odyssee hat sich damit erledigt, ich sitze endlich auf meinen vier Buchstaben.
Bloß keine falschen Bewegungen
Ich öffne meinen Rucksack, krame meine Sachen hervor, fahre den Laptop hoch und versuche mich die erste halbe Stunde erfolglos ins WLAN einzuloggen. Dabei fühle ich mich wie der lauteste Mensch dieser Erde. Vor meinem Besuch dachte ich, dass die Stille mir hilft, mich auf den Stoff zu fokussieren, es ist aber so still, dass ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren kann. Ich sitze wie eingefroren auf meinem Stuhl und höre mich selbst viel zu laut atmen. Ich drücke die Tasten meines Laptops extra leise. Jegliche Bewegung könnte ein mögliches Störgeräusch erzeugen. Das Aufstehen, um zur Toilette zu gehen, erfolgt möglichst lautlos. „Klasse! Ein erster Erfolg!“, denke ich. Doch als ich die Tür zum Flur schließen will, rutscht diese mir aus der Hand und fällt mit einem lauten Knall ins Schloss. Zum Glück kann man Augenrollen nicht hören.
Nach anderthalb Stunden verlasse ich die Bibliothek. Draußen angekommen fühlt es sich wie eine Erlösung an, mich endlich wieder normal bewegen zu können und andere Geräusche zu hören. Abgesehen davon, dass ich die Literatur, für die ich eigentlich gekommen bin, trotz des abgeschlossenen Bib-Scheins nicht finden konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass ich trotz Online-Einführung so wenig zurecht komme. Ich glaube, diesen Besuch muss ich schweren Herzens noch einmal üben, denn für ein erfolgreiches Studium wird es nötig sein, sich in der Bib zurecht zu finden.