CAMPUS
Manche Studis entscheiden sich nach dem Master für eine Promotion. Doch wie genau funktioniert das Promovieren eigentlich? Tom* macht seinen Doktortitel in einer Geisteswissenschaft mit einem Promotionsstipendium. Er hat uns erklärt, wo der Unterschied zu einer Promotionsstelle an einem Lehrstuhl liegt, wie die Promotion finanziert wird und welche Herausforderungen damit einhergehen.
Während des Masters bildet sich bei vielen bereits eine Idee für eine Doktorarbeit, so auch bei Tom: „Ich hatte nie ernsthaft darüber nachgedacht, einen Doktor zu machen. Doch der Betreuer meiner Masterarbeit hat mich auf die Idee gebracht, mit dem Thema weiterzuarbeiten. Dann kam die Frage auf, wie ich promovieren kann und wie ich das finanziere.“
Tom hat sich für ein Promotionsstipendium bei einer Stiftung entschieden. Andere Wege bieten Promotionsstellen an der Universität oder eine berufsbegleitende Promotion. Das Stipendium setzt ein gewisses politisches, gesellschaftliches oder kulturelles Engagement voraus, solange es in den Kontext der jeweiligen Stiftung passt. Eine bestimmte Abschlussnote wird ebenfalls gefordert, da an dieser die Bereitschaft am wissenschaftlichen Arbeiten zu sehen sein sollte. Außerdem sollte euer Fachbereich eine Rolle bei dieser Entscheidung spielen: „Die Tendenz, mittels Stipendium zu promovieren, zeigt sich eher in den Gesellschaftswissenschaften.“ Das liegt laut Tom daran, dass Naturwissenschaften mit höheren Summen gefördert werden und daher in diesem Fachbereich mehr Stellen an den Universitäten zu vergeben sind.
Wenn man sich zusammen mit seinem:r Betreuer:in für ein Thema entschieden hat, kann man sich damit auf ein Stipendium bewerben. Den Bewerbungsprozess auf ein Stipendium sollte man laut Tom jedoch nicht unterschätzen: „Nach dem Master hatte ich für ein Jahr lang eine befristete Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Währenddessen habe ich fast ein halbes Jahr lang mein Exposé ausgearbeitet. Danach habe ich mich beworben, auf eine Antwort habe ich jedoch ein dreiviertel Jahr gewartet.“
Diese Zeit gilt es erst einmal zu überbrücken: „Ich habe bis zum Ende darauf spekuliert, dass ich das Stipendium nahtlos nach der wissenschaftlichen Stelle bekomme, dem war jedoch nicht so. Ich habe die Zwischenzeit mit ALG-I überbrückt.“ Das Risiko, eine lange Zeit finanziell überwinden zu müssen, sollte daher nicht unterschätzt werden. „Man muss sich klar machen, ob man es sich leisten kann, anderthalb Jahre auf eine Stelle oder ein Stipendium zu warten. Überlegt euch gut, wie ihr die Zeit, während ihr auf die Zusage wartet, nutzt. Wenn es nicht funktioniert, habt ihr zwei Jahre vergeudet, ohne Arbeitserfahrung oder Geld“, gibt Tom zu denken.
Promovieren auf Zeitdruck
Ein Promotionsstipendium deckt einen Zeitraum von drei Jahren ab, doch: „Die Regel ist eher, dass die meisten länger brauchen. Mit einem Stipendium hat man meist nur drei Jahre mit der Begründung, dass wenn Verwaltungsarbeit und Lehre wegfällt, die Promotion in drei Jahren zu schaffen ist“, erklärt Tom. „Bei Kolleg:innen habe ich öfter beobachtet, dass sie in der angesetzten Zeit häufig nicht zum Promovieren kommen, da sie mit so vielen anderen Sachen beschäftigt sind, wie beispielsweise der Lehre. Da dauert das Promovieren einfach länger“, so Tom. „In der Zeit, in der sie eigentlich promovieren sollten, kümmern sie sich darum, ihren Lebensunterhalt in der Zukunft weiter zu finanzieren und können sich in dem Moment nicht auf die Dissertation konzentrieren.“
Deshalb habe sich Tom für ein Promotionsstipendium entschieden. „Man arbeitet in einem System, in dem man sehr viel abseits der eigentlichen Doktorarbeit machen muss, beispielsweise Konferenzen besuchen, Artikel schreiben oder Unterricht vorbereiten. Das frisst Zeit, die man eigentlich intensiv in die Doktorarbeit stecken könnte.“ Dadurch werden die wenigsten Promovierenden in der vorgegebenen Zeit mit ihrer Arbeit fertig.
Bangen um die Weiterfinanzierung
Falls die vorgegebene Zeit nicht ausreicht, kann man eine Förderungsverlängerung beantragen. „Ich habe den glücklichen Fall, dass diese bei mir bewilligt wurden, doch ich habe mich darauf eingestellt, das vierte Jahr mit ALG-I oder Hartz IV zu überbrücken, wenn es nicht anders geht.“ So müssten sich einige Betroffene die Verlängerung finanzieren: „Das ist nicht so selten, wie man denkt, denn die wenigsten Leute werden mit ihrer ersten Finanzierung fertig.“
Die Stipendien entstehen durch Mittel, die vom BAMF zur Verfügung gestellt werden. Bei den parteinahen Stiftungen hängt die Menge an Stipendienplätzen an den Sitzen im Bundestag zusammen. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat deswegen mehr Plätze zu vergeben als die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linken. Einen gewissen Grundstock bekommen jedoch alle Stiftungen unabhängig von den Sitzen.
Im Monat liegen die Stipendien bei rund 1.350 Euro. Manche bekommen dazu einen Krankenkassenzuschuss und eine Forschungspauschale. Mit diesem Geld muss man als Promovierende:r haushalten, Miete, Lebensmittel und andere Ausgaben bezahlen: „Ich denke jedoch, dass das Promovieren im Ruhrpott finanziell nochmal anders aussieht als beispielsweise in Städten wie München, wenn mehr als ein Drittel des Geldes für Miete draufgeht“, ordnet Tom die Höhe des Stipendiums ein.
Fehlanzeige Chancengleichheit?
Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt eine starke soziale Diskrepanz zum Zugang der Promotion. Laut dieser promovieren 41,5 Prozent der Masterabsolvent:innen, wenn beide Eltern Akademiker:innen sind. Studierende, deren Eltern beide keinen Hochschulabschluss haben, versuchen sich jedoch nur zu 25,9 Prozent an einer Promotion. „Der Habitus der Leute ist nicht auszublenden. Ob man sich unter Akademiker:innen bewegen kann, ob man weiß, wie man mit Leuten redet, wie man beim Essen nach der Konferenz das Besteck hält. Das alles sind Mikropraktiken, von denen man vorher gar nicht weiß, dass man sie braucht, wenn man nicht in Akademikerkreisen aufgewachsen ist. Das wirkt sich auch auf die Forschung aus.“ Kinder von Akademiker:innen haben dadurch einen einfacheren Zugang zu einer wissenschaftlichen Karriere.
Achtet auf eure mentale Gesundheit!
Abschließend bewertet Tom seinen akademischen Werdegang mit gemischten Gefühlen: „Es kann frustrierend sein, wenn man Phasen hat, in denen man drei Monate fast nichts aufs Papier bringt.“ Solche Phasen seien laut Tom nicht zu unterschätzen: „Wenn man merkt, dass man das wirklich durchziehen möchte, aber man psychisch nicht der:die Stabilste ist, muss man frühzeitig dagegen lenken und sich professionelle Hilfe suchen.“ Damit meint Tom nicht zwingend eine Psychotherapie, sondern Angebote zu Themen wie strukturiertes Arbeiten für Promovierende, die an vielen Unis angeboten werden.
„Ein strukturierter Alltag ist unabdingbar, und das stellt mich noch manchmal vor Herausforderungen. Ich würde das Promovieren in einem sinuskurvigen Verlauf beschreiben. Nehmt die hohen Hochs und die tiefen Tiefs an“, resümiert Tom. „Ich habe das Gefühl, dass das Promovieren eine super entbehrungsreiche Zeit ist, in der man unfassbar unterbezahlt arbeitet“, gibt er zu. Trotz allem bereut Tom seine Entscheidung nicht: „Wenn man Freude am wissenschaftlichen Arbeiten, am Lernen und am Unterrichten hat und man gerne Kontakte mit Menschen knüpft, die im gleichen Feld forschen, dann ist das eine intellektuell sehr bereichernde Arbeit. Es ist sehr fordernd, aber es macht trotzdem viel Spaß.“
*Name geändert