HOCHSCHULPOLITIK
In Bayern könnte es bald Studiengebühren geben. Damit wäre es das erste Bundesland, in dem Studierende ihre Lehre finanziell mittragen müssen. Gerade in Bayern kann die Regierung leichter über die Köpfe von Studierenden hinweg solche Entscheidungen treffen, da es hier keine Verfasste Studierendenschaft gibt – doch es hagelt Kritik.
Der Freistaat Bayern will sein Hochschulgesetz reformieren. Das Eckpunktepapier für das sogenannte Hochschulinnovationsgesetz soll Universitäten „unternehmerisch“ machen und dabei die Studierenden zur Kasse bitten und den Freistaat finanziell entlasten. Mit den sogenannten „umfassenden Gebührenerhebungsmöglichkeiten“ will die bayerische Landesregierung im neuen Hochschulgesetz das Recht für Universitäten einführen, über Gebühren und deren Höhe selbst zu entscheiden. In Bayern wurden Studiengebühren 2013 abgeschafft, in NRW 2011.
Fabian Dobmeier aus dem Senat der Hochschule Landshut kritisiert: „Als Gebühren ist dabei alles denkbar – vom Sport- und Medizintest über die Anschaffung von Lehrmaterialien bis hin zur Bücherleihe. Studierende müssen vor solcher Willkür geschützt werden.“ Er fordert, dass Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe von den Ländern finanziert wird.
Sollte das Gesetz so verabschiedet werden, wären bayerische Studierende nicht die einzigen, die in Deutschland Studiengebühren bezahlen: In Baden-Württemberg erhebt die schwarz-grüne Landesregierung seit 2017 Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer:innen. Während in den letzten Jahren der Anteil dieser Studierenden in den restlichen Bundesländern stieg, ist er in Baden-Württemberg rückläufig. „Die Zahlen machen es unbestreitbar, dass die Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer:innen einigen das Studium in Baden-Württemberg verwehren“, bilanziert Natalie Schäfer vom Aktionsbündnis gegen Bildungs- und Studiengebühren. Studiengebühren bezeichnet sie als „Angriff auf die freie Bildung“. Jonathan Dreusch vom freien zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) warnt vor einer „Bildungsschere“, in der der Geldbeutel zunehmend darüber entscheidet, wer studieren kann.
Widerstand erschwert: Kein AStA in Bayern
Ausgerechnet in Bayern können Gesetze, die Studierende betreffen, leicht über deren Kopf hinweg entschieden werden. Anders als in allen anderen deutschen Bundesländern gibt es dort keine Verfasste Studierendenschaft. Die Studierendenvertretung ist keine sogenannte Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts – mit weitreichenden Folgen. Zum Vergleich: In NRW beispielsweise bilden alle eingeschriebenen Studierenden automatisch eine Verfasste Studierendenschaft. Sie wählen ihre Vertretung ins Parlament (StuPa), in dem die Listen mit Stimmenmehrheit die Koalition (AStA) bilden.
Unterschied zwischen Studiengebühren und Semesterbeitrag
Der Semesterbeitrag besteht an der Universität Duisburg-Essen im Sommersemester 2021 aus 209,38 Euro für das Semesterticket, 95,00 Euro für das Studierendenwerk und 15,73 Euro für die Studierendenschaft, also AStA, StuPa und Fachschaften. Studiengebühren hingegen bezahlen Studierende an die Hochschule, die sie zum Beispiel in die Lehre investiert.
Im Unterschied zu ihren Äquivalenten in Bayern haben hier die Vertretungen die Satzungs- und Finanzhoheit, können also ihre Satzung selbst festlegen und einen eigenen Haushalt führen. Außerdem sind sie als eine sogenannte Rechtsperson in der Lage, Verträge abzuschließen, wie beispielweise an der UDE für das Semesterticket, die Leihfahrräder von nextbike und das Kulturticket mit den Theatern. All diese Möglichkeiten haben Studierende in Bayern nicht, weshalb die Finanzierung von Kampagnen und Demonstrationen gegen die Studiengebühren und die Rechts- und Finanzberatung für Studierende mit Geldproblemen quasi unmöglich sind.
Trotzdem ist die Kritik an der geplanten Novelle des Hochschulgesetzes bis zum bayerischen Wissenschaftsminister Bernd Sibler vorgedrungen. Er will sie bis zum Sommer durchbringen, rückt jedoch nach der breiten Kritik von wesentlichen Punkten ab und behauptete in einem Interview im Februar entgegen des Eckpunktepapiers zur Novelle: „Ich will keine schleichende Einführung von Studiengebühren für unsere Studentinnen und Studenten in Bayern.“