CAMPUS
Viele Studis, die im dritten Semester studieren, haben im aktuellen Wintersemester die Uni das erste Mal von innen gesehen. So auch unsere Redakteurin. Wie ihre erste Veranstaltung lief und was ihr dabei durch den Kopf ging.
Eine Kolumne von Helena Wagner
Ich habe mir bereits Wochen im Voraus Gedanken darüber gemacht, wie es wohl wird, das erste Mal am Campus zu sein. Einen Abend vorher steht bereits das Outfit, die Tasche ist gepackt und vor dem Schlafengehen bin ich so aufgeregt wie am Abend vor dem ersten Schultag. Gedanken wie „Werde ich die Leute aus den Online-Semestern erkennen?“, „Wie spreche ich andere Studis am besten an?“ oder „Ich hoffe, ich sitze nicht allein in der Veranstaltung“ wechseln sich in meinem Kopf ab. Ich fühle mich albern, so aufgeregt zu sein.
Meine erste Veranstaltung beginnt um 12 Uhr, weshalb ich den ganzen Morgen Zeit habe, in meinem Gedankenkarussell sitzen zu bleiben und jedes erdenkliche Szenario in meinem Kopf durchzugehen. Ich bin vorbereitet: Ich war bereits eine Woche vorher am Campus, um mir meinen Boarding-Pass freischalten zu lassen. Ich sitze also entspannt Zuhause am Schreibtisch und warte darauf, endlich loszukönnen, bis mich folgende Nachricht von einer Kommilitonin erreicht: „Die Server für den Boarding-Pass sind down, wenn du deinen Impfnachweis nicht in Papierform hast, musst du ihn dir noch schnell besorgen, die lassen dich sonst nicht ins Gebäude.“
Das Small-Talk Ein-Mal-Eins
Ich mache mich schleunigst auf den Weg zum Campus, wo schon eine lange Schlange vor dem Schalter an der Mensa wartet. Vom Schalter an der roten Cafete wurde mir abgeraten, denn dieser hatte schon kein Papier mehr, um die Nachweise auszustellen. Ich stehe eine halbe Stunde in der Schlange und habe Zeit, mir das Treiben auf dem Campus genauer anzuschauen. Als erstes fallen mir die vielen Gruppen auf, die geschlossen über die Campuswiese laufen. In mir steigt sofort Angst auf: „Habe ich jetzt schon den Anschluss verpasst? Alle scheinen sich schon zu kennen, und ich bin alleine hier.“ Doch bei genauerem Hinsehen fallen mir viele Alleingänger:innen auf, die einen ähnlichen Gesichtsausdruck wie ich haben: Verunsichert, eine Denkfalte auf der Stirn, einen suchenden Blick. Ich bin schlagartig ruhiger.
Ich stehe bereits eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn vor dem Raum, mit mir ein paar andere Studis, die nach und nach mehr werden. Aber ich traue mich nicht, jemanden anzusprechen. Eine Studentin stellt sich neben mich und fragt, ob ich auch in die Veranstaltung in diesem Raum will. Ich bejahe, und als sie mich nach meinem Namen fragt und wir lachend feststellen, dass wir den gleichen Namen haben, ist auf einmal alles ganz leicht. Der Professor kommt zu spät, weil er nicht weiß, dass er einen Schlüssel für den Raum braucht. Doch auch er ist entspannt, und die Stimmung ist ansteckend.
Endlich in der Veranstaltung angekommen kann ich gar nicht fassen, dass mein erstes Jahr an der Uni eigentlich so ausgesehen hätte, wenn nicht eine Pandemie dazwischen gekommen wäre. Das Lernen und die Kommunikation zwischen den Studierenden und dem Professor wirkt auf einmal viel offener und nicht mehr so anonym wie vor den Bildschirmen. Dadurch fällt es mir leichter, dem Professor zu folgen und das Gesagte aufzunehmen. Die anderthalb Stunden gehen vorbei wie im Flug und nach der Veranstaltung bin ich auch Teil einer Gruppe, die über den Campus schlendert. Ich fühle mich beflügelt und kann die nächste Veranstaltung in Präsenz gar nicht abwarten. Studieren kann also auch Spaß machen!